Timeless: Roman (German Edition)
Bereiche geteilt war. Gegenüber der Treppe befand sich ein großer kunstvoll geschnitzter Kamin, in dem ein Feuer brannte.
Unser gesamtes Haus am Venice Beach würde in diesen einen Raum passen , dachte Michele verblüfft. Es war ein überwältigender Anblick. Marions kurze Beschreibung der Pracht von Windsor Mansion hatte sie auf das hier nicht vorbereitet.
Schließlich fand sie die Sprache wieder. »Ich kann nicht glauben, dass Mom wirklich hier aufgewachsen ist.«
Fritz drehte sich zu ihr um. Sein Gesichtsausdruck war plötzlich ernst, doch bevor er etwas sagen konnte, betrat eine Frau im Tweedkostüm den Raum. Sie hatte freundliche blaue Augen und dunkelblondes Haar, das im Nacken zu einem Knoten zusammengebunden war. Michele schätzte sie auf Mitte fünfzig. Beim Anblick von Michele erhellte ein Lächeln ihr Gesicht.
»Michele! Wie schön, dich endlich kennenzulernen. Ich bin Annaleigh, die Hauswirtschafterin. Ich bin verantwortlich für die Leitung von Windsor Mansion, die Beaufsichtigung des Personals und dafür, deine Großeltern – und nun auch dich! – bei Laune zu halten.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen«, erwiderte Michele. Als sie Annaleigh die Hand schüttelte, kam ihr zum zweiten Mal an diesem Tag der Gedanke, dass sie ein alternatives Universum betreten haben musste. Ihre Mut ter hatte nie irgendeine Haushaltshilfe engagiert, und all die Hausangestellten, die sich in diesem Palast um sie kümmerten, wirkten erdrückend auf sie.
»Deine Großeltern warten im Salon auf dich. Ich zeige dir den Weg.« Annaleigh ging los, doch Michele blieb vor Nervosität wie angewurzelt stehen. War sie wirklich bereit, die Großeltern kennenzulernen, die sie praktisch ihr Leben lang ignoriert hatten? Was sollte sie zu ihnen sagen? Sollte sie sie umarmen, ihnen die Hand schütteln? Mit dem Gefühl, ganz und gar nicht in diese noble Welt zu gehören, blickte sie auf ihre Jeans und Converse-Sneakers hinab.
Annaleigh drehte sich um und warf Michele einen fragenden Blick zu. Michele holte tief Luft und folgte ihr. Als Annaleigh sie durch Korridore mit französischen und italienischen Gemälden führte, bekam Michele eine Gänsehaut. Wieder hatte sie das Gefühl, dass ihr diese Korridore, dieses ganze Haus, auf seltsame Weise vertraut waren.
Bald erreichten sie einen großen goldgetäfelten Raum, in dem Kristallleuchter von einer Kassettendecke herabhingen. In diesem Raum stand ein grauhaariges Paar. Es blickte aus den großen Fenstern und sprach ganz leise miteinander, die Rücken der Tür zugewandt, sodass Micheles erster Eindruck von ihren Großeltern edel aussehender schwarzer Stoff war, der zwei große hagere Körper schmückte.
Annaleigh räusperte sich. »Mr. und Mrs. Windsor? Michele ist da.«
»Michele.« Mit leiser Stimme sprach Dorothy den Namen aus, bevor sie sich umdrehte, wobei sie fest die Hand ihres Gatten umklammerte.
Micheles erster Gedanke war, dass sie in nichts dem ähnelten, was sie sich unter Großeltern vorstellte. Amandas Großeltern lebten bei deren Familie, und Michele hatte sie sehr lieb gewonnen und als das Maß aller Dinge betrachtet. Amandas rundliche Großeltern waren die Sanftheit in Person, ein bisschen wie Mr. und Mrs. Claus, wobei Grammy normalerweise neue Pullover für ihren geliebten Shi-Zu strickte, während Papa dröhnend über seine Lieblings-Sitcoms lachte. Doch Micheles Großeltern sahen eher aus wie ein älterer König und seine Königin, mit aufrechter Haltung, ernsten Gesichtern und Designerkleidung. Dorothy hatte sicherlich noch nie in ihrem Leben gestrickt, und Michele konnte sich nicht vorstellen, dass dieser majestätische Mann dröhnend über irgendetwas lachte. In der Tat, das war es: Beide sahen aus, als würden sie selten lachen – wenn überhaupt.
Walter Windsor hatte ein langes, schmales Gesicht mit durchdringenden blauen Augen, einen grau melierten Bart und Schnurrbart und dieselbe elfenbeinfarbene Haut wie Michele. Dorothys graublondes Haar war zu einem Nackenknoten zusammengebunden, und auf ihrem blas sen Gesicht mit den unglaublich hohen Wangenknochen waren ein paar Altersflecken zu sehen. Fasziniert betrachtete Michele die haselnussbraunen Augen ihrer Großmutter. Sie sind genau wie die von Mom … und von mir. Nur dass Dorothys Augen so leer waren, dass Michele voller Unbehagen zurückwich.
»Hallo, Michele«, sagte Walter und machte ein paar Schritte auf sie zu. Er und Dorothy schienen ebenso unsicher zu sein wie Michele.
»H-hi«, stammelte
Weitere Kostenlose Bücher