Timeless: Roman (German Edition)
Großeltern nicht am Flughafen waren, um sie willkommen zu heißen.
Wenige Minuten nachdem sie ihre beiden Koffer abgeholt hatte, saß Michele auf dem Rücksitz des glänzend schwarzen Windsor SUV . Während Fritz von Queens nach Manhattan hineinfuhr, blickte Michele aus dem Fenster. Sie kamen vorbei an den Vorstadthäusern und Restaurants von Queens und bogen dann auf den Highway ab. Unterhalb schimmerte der blau-graue East River, während über ihren Köpfen beleuchtete Laufschriften für die neuesten Broadway-Hits warben, als handelte es sich um eine Vorgruppe für die Stadt, die gleich ihren Auftritt haben würde.
Mom muss Dutzende Broadway-Shows gesehen haben, schließlich ist sie hier aufgewachsen , wurde Michele mit einem schmerzlichen Stich bewusst.
Als sie auf den Freeway fuhren und Michele den ersten flüchtigen Eindruck von Manhattan erhielt, holte sie tief Luft. Schnappschüsse von New York wurden lebendig: die langen Alleen, die sich endlos zu erstrecken schienen, die riesigen, dicht beieinanderstehenden Wolkenkratzer und die hellen Lichter, die allen Sehenswürdigkeiten theatralischen Glanz verliehen. Es dauerte nicht lange, bis sie die Fifth Avenue erreichten, auf der es nur so von Fünf-Sterne-Hotels, eleganten Restaurants und teuren Geschäften wimmelte. Modisch gekleidete New Yorker eilten in die Geschäfte hinein und wieder aus ihnen heraus und jonglierten geschickt mit ihren BlackBerries, iPhones und Einkaufstüten herum. Während Michele die Menschen beobachtete, an denen sie vorbeikamen, kam es ihr vor, als habe jeder von ihnen jemanden – jemanden, der ihre Hand hielt, wenn sie die Straße überquerten, jemanden, mit dem sie gemeinsam durch die Kälte eilen konnten. In dieser geschäftigen neuen Stadt fühlte sich Michele noch einsamer.
Fritz fuhr weiter die Fifth entlang, vorbei an der majestätischen, gotischen St. Patrick’s Cathedral und dem berühmten Plaza Hotel im Beaux-Arts-Stil. Dann steuerte er auf einen vierstöckigen Palast aus schimmerndem weißen Marmor zu, der stolz hinter gewaltigen schmiedeeisernen Toren emporragte, auf denen ein W prangte. Altmodische Pferdekutschen und Velotaxis transportierten aufgeregte Touristen an diesem riesigen Anwesen vorbei in den nahe gelegenen Central Park.
»Da wären wir«, verkündete Fritz. »Willkommen zu Hause!«
Vor Erstaunen riss Michele den Mund auf. »Wollen Sie mich veräppeln?«
An der Vorderseite des herrschaftlichen Hauses gab es einen Portikus mit vier schweren weißen korinthischen Säulen. Michele sah geschwungene Balkone und Bogenfenster und entdeckte, dass die Auffahrt und das Grundstück mit einem Rosengarten und kleinen Skulpturen geschmückt waren. Vor den Toren stand eine Gruppe Touristen und machte Fotos von einem der letzten Relikte des Vergoldeten Zeitalters New Yorks.
Fritz schaute in den Rückspiegel, fing Micheles Blick auf und kicherte: »Ich hatte vergessen, dass Sie das Haus ja zum ersten Mal sehen. Unglaublich, oder? Wissen Sie, es wurde den Palazzi der italienischen Renaissance nachgebildet und von dem tonangebenden amerikanischen Architekten des späten 19. Jahrhunderts, Richard Morris Hunt, gebaut.«
Fritz öffnete die Tore per Fernsteuerung, und die Touristen huschten zur Seite und gafften dem SUV nach. Als er über die ringförmige Kiesauffahrt fuhr, die sich zu den imposanten Eingangstüren hinschwang, hatte Michele das seltsame Gefühl, diesen massiven Bau schon einmal gesehen zu haben. Sie stieg aus dem Wagen und warf noch einen letzten Blick auf das Äußere des Palasts, bevor sie Fritz die weiße Steintreppe hochfolgte.
Fritz öffnete die Türen aus vergoldeter Bronze und Glas. »Willkommen in der Grand Hall«, sagte er mit einer einladenden Geste.
Michele rang nach Luft. »O mein Gott.«
Sie stand in einem riesengroßen luftigen Innenatrium mit Gewölbebogen, hohen Marmorsäulen und Deckengemälden. Die Korridore der oberen Etagen lagen zu diesem Innenhof hin, was dem Haus einen Freilufttouch verlieh. Die Ostwand bestand fast vollständig aus Glas und bot einen Blick in den hinter dem Palast liegenden Garten, mit den Hügeln des Central Parks in der Ferne. Zwei italienische Gobelins säumten den Eingang, und die Decke zeigte einen golden eingerahmten Sommerhimmel. Doch das Prunkstück des Raums war die große Treppe aus weißem Marmor mit dunkelroten Teppichen und kunstvollen Geländern aus Schmiedeeisen und Bronze. Die Treppe führte von der Großen Halle hoch zur ersten Etage, die in zwei
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