Timeless: Roman (German Edition)
zur Tür hereinkommen, um sie einzufordern. Aber es war auch schwer, sich vorzustellen, dass ihre unkonventionelle Mutter in diesem formellen Prinzessinnenzimmer gelebt und eine Porzellanbürste verwendet haben sollte. Michele hatte das Gefühl, dass Marion Windsor, die Erbin, eine ganz andere Person gewesen war als Marion Windsor, die Mutter.
»Dies ist das einzige Zimmer in deiner Suite, in dem noch fast das gesamte ursprüngliche Mobiliar steht«, fuhr Annaleigh fort. »Deine Großeltern haben mich gebeten, die anderen Zimmer ein bisschen moderner zu gestalten. Ich hoffe, sie gefallen dir!«
»Meine Zimmer ?«, wiederholte Michele verwirrt. Erst jetzt fiel ihr auf, dass es an jedem Ende des Raums eine Tür gab. Annaleigh bedeutete Michele, ihr zu folgen.
Die erste Tür führte zu einem riesigen Ankleidezimmer – das zu rechtfertigen Michele kaum genug Kleidungsstücke hatte – und einem marmornen Badezimmer, die gegenüberliegende führte in ein geräumiges Wohnzimmer. Darin stand ein antiker Bücherschrank mit Glastüren (gefüllt mit Büchern wie Harry Potter und den Bänden von Jane Austen), einem Flachbild-Fernseher, einem DVD -Player und einer hochmodernen Stereoanlage. In einer Ecke standen ein runder Eichentisch mit einem einzigen Gedeck sowie ein passender Esszimmerstuhl.
»Warum gibt es hier eine Esszimmergarnitur?«, fragte Michele.
»Für die Mahlzeiten natürlich. Wir lassen dir zu den Mahlzeiten immer einen Essenswagen hochschicken, und wir beide werden jeden Morgen deinen Speisezettel besprechen. Sieh mal, der Fernseher lässt sich schwenken, sodass du von deinem Esstisch aus bequem fernsehen kannst!« Annaleigh strahlte, doch ihr Lächeln ver blasste, als sie Micheles verwirrten Gesichtsausdruck sah.
»Wollen Sie damit sagen, dass meine Großeltern möch ten, dass ich immer allein zu Abend esse?«, fragte sie ungläubig. »Nach allem …?«
»Oh, bitte versteh mich nicht falsch«, sagte Annaleigh beklommen. »Aber deine Großeltern essen so unregelmäßig. Sie lassen oft das Abendessen aus und nehmen nur ein spätes Mittagessen zu sich. Da haben wir uns gedacht, es sei so am besten, damit du regelmäßig deine Mahlzeiten bekommst.«
»Ist schon in Ordnung«, murmelte Michele. Klingt, als würde es in diesem gigantischen alten Haus noch einsamer werden, als ich dachte. Ihr Blick streifte die Porträts verschiedener junger Frauen, die die Wände des Esszimmers schmückten; bei einem blieb er hängen.
»Hey, das ist meine Urgroßmutter, die Sängerin Lily Windsor!«, rief Michele. »Aber mit dieser Frisur sieht sie ganz anders aus.«
»Ja, weil sie auf diesem Gemälde erst sechzehn ist«, erklärte Annaleigh. »Das war 1925, die Zeit der Bubiköpfe.«
Michele betrachtete das Porträt. Mit ihrem kessen kurzen Haar, den schwarz umrandeten Augen und dem paillettenbesetzten, figurbetonten Kleid sah ihre Großmutter einfach bezaubernd aus. Kaum zu glauben, dass sie erst sechzehn war. Als sie an all die Tage dachte, an denen ihre Mutter zu Hause Lilys Platten hatte spielen lassen, wurde es Michele eng ums Herz. Obwohl Marion kaum einen Ton halten konnte, hatte Michele es immer geliebt, sie zu Lilys Platten singen zu hören, denn Musik schien Marion immer besonders glücklich zu machen. Und Lily war die einzige Windsor, von der sie voller Stolz gesprochen hatte. Lily war in ihren Achtzigern gestorben. Damals war Marion fünfzehn gewesen, doch während ihrer Kindheit hatten Lily und sie sich sehr nahegestanden.
Michele wandte sich dem nächsten Gemälde zu, von einem Mädchen, das sich nicht mehr von Lily hätte unterscheiden können. Während Lily stark geschminkt war und selbstsicher und keck dreinschaute, trug dieses Mädchen nicht den Hauch von Make-up und wirkte sehr schüchtern. Sie steckte in einem altmodischen Ballkleid, wie sie die Prinzessinnen in Disney-Filmen trugen, und ihr Haar war eine bauschige rote Wolke, geschmückt mit juwelenbesetzten Haarnadeln.
»Wer ist das?«, fragte Michele.
»Das ist deine Urgroßtante Clara. Sie war die Einzige, die von der Familie Windsor adoptiert wurde, nämlich von Sir George Windsor selbst«, sagte Annaleigh. »Sie wohnte ebenfalls in diesen Räumen, als sie heranwuchs, und dieses Porträt wurde anlässlich ihres Gesellschaftsdebüts 1910 gemalt. Sie wird zu diesem Zeitpunkt in deinem Alter gewesen sein.« Annaleighs Augen schimmerten. »Wusstest du, dass die reichsten amerikanischen Mädchen damals oft mit Mitgliedern des britischen
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