Timeless: Roman (German Edition)
auch von den meisten anderen Mädchen der Windsors.
Wir möchten, dass du so bald wie möglich nach New York kommst. In dieser schmerzlichen Zeit wird es der einzige Lichtblick in meinem und dem Leben deines Großvaters sein, dich kennenzulernen und bei uns zu haben.
In Liebe
Dorothy Windsor
Dreimal las Michele den Brief und wartete darauf, dass die Worte ihr real vorkamen. Meinte ihre Großmutter, was sie geschrieben hatte? Und warum hatte Marion ihre Eltern als Micheles Vormunde ausgewählt? Sie musste gewusst haben, dass Michele versuchen würde, dagegen anzugehen.
Miss Richards brach das lange Schweigen. »Ich weiß, dass es nicht das ist, was du wolltest, Michele. Ich weiß, dass es viel verlangt ist, deine Schule, deine Freunde und dein Zuhause zu verlassen. Aber denk an Folgendes: Du wirst in demselben Haus wohnen, in dem deine Mutter aufgewachsen ist. Mr. und Mrs. Windsor haben mir gesagt, dass du Marions altes Schlafzimmer bekommst und auf ihre Schule gehen wirst. Vielleicht hat deine Mom ihre Eltern ausgewählt, damit du auf diese Weise mit ihr verbunden bleibst.«
Michele schwieg und ließ Miss Richards Worte sacken. Ihr größter Wunsch war es zu spüren, dass ihre Mutter wieder bei ihr war. Was, wenn dies der Weg dazu war?
Plötzlich wanderten ihre Gedanken zurück zu ihrer letzten Autofahrt mit Marion, als sie den Song über Nostalgie gehört hatten: »Sodade.«
»Woran denkst du dabei?«
»An zu Hause.«
»Okay«, sagte Michele nach einer Weile. »Ich werde gehen.«
»Flugbegleiter, Platz nehmen zur Landung«, verkündete der Pilot über das PA -System.
Michele holte tief Luft. Sie schaute durch das Flugzeugfenster, während New York, eine Ansammlung heller Lichter und Gebäude, unterhalb der Wolken sichtbar wurde. Nervös wickelte sie eine Locke um den Finger. Das war es. In Kürze würde sie eine neue Stadt kennenlernen – ein neues Leben.
Sie lehnte sich in den Plüschsitz zurück, der fast zu bequem war. Ihre Mutter hatte es nie gutgeheißen, Geld für Tickets der ersten Klasse zu verschwenden, doch genau so eines hatten Walter und Dorothy für sie gebucht. Einen Moment lang fühlte sich Michele schuldig.
Es erschien ihr ganz unwirklich, dass sie den Brief ihrer Großmutter erst vor einer Woche gelesen hatte – danach war alles so rasend schnell gegangen. Amanda, Kristen und ihre Familien hatten darauf bestanden, ihr beim Packen zu helfen, und die Windsors hatten ihre Kartons drei Tage vor dem Umzug nach New York transportieren lassen. Miss Richards hatte sämtliche Schul zeugnisse und Patientenakten von Michele besorgt, sie in der Crossroads ab- und in der Berkshire High zum 11. Oktober angemeldet. In drei Tagen , wurde Michele klar. Bei dem Gedanken drehte sich ihr der Magen um.
Am Abend zuvor hatte ihre Abschieds-Pyjamaparty mit Amanda und Kristen stattgefunden. Michele hatte erwartet, dass sie untröstlich sein würde, sich von ihnen trennen zu müssen, doch der Verlust ihrer Mutter ließ alles andere bedeutungslos erscheinen.
Während ihre Freundinnen unter Tränen darüber gesprochen hatten, wie seltsam das Leben ohne sie sein würde, und ihr versprachen, jeden Tag anzurufen, zu simsen und sich über Facebook zu melden, hatte Michele einfach dagesessen und wie betäubt diesen weiteren Schritt der Demontage ihres Lebens beobachtet.
Als sie wieder aus dem Fenster schaute, sah sie, dass sich das Flugzeug dem Boden näherte. Gleich war sie in New York.
Mit wild pochendem Herzen ging Michele zum Gepäckband am John F. Kennedy International Airport. Sie konnte kaum glauben, dass sie in wenigen Augenblicken zum ersten Mal den Eltern ihrer Mutter begegnen würde. Doch zu ihrer Überraschung entdeckte sie stattdessen beim Gepäckkarussell einen Mann in adrettem Anzug, der ein Schild mit ihrem Namen in die Höhe hielt.
»Hi«, sagte Michele, als sie näher kam. »Ich bin Michele.«
Das Gesicht des Mannes erhellte sich, und er machte einen albernen kleinen Diener. »Wie schön, Sie kennenzulernen, Miss Windsor. Ich bin Fritz, der Chauffeur der Familie.«
Chauffeur? , dachte Michele verblüfft. Ihr Leben hier würde wirklich ganz anders werden als in Kalifornien.
»Äh, Sie können mich Michele nennen. Und ich freue mich auch, Sie kennenzulernen«, antwortete sie. »Ich nehme also an, meine Großeltern sind nicht hier?«
»Aber nein.« Verdattert sah Fritz sie an. »Sie warten natürlich zu Hause auf Sie.«
»Natürlich.« Michele nickte, doch es verletzte sie, dass ihre
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