Timeless: Roman (German Edition)
in einem Film gesehen?«, grübelte Annaleigh.
»Vielleicht.« Aber Michele wusste, dass es nicht stimmte.
Annaleigh führte Michele am Ballsaal vorbei in einen Raum, den sie das maurische Billardzimmer nannte. Das Zimmer wirkte männlich und fremd. Es hatte eine Glaskuppel, und die Wände waren mit bunten marokkanischen Fliesen bedeckt.
»Hierher kamen während der Partys die Männer, um ihre Zigarren zu rauchen und Billard zu spielen«, sagte Annaleigh und deutete auf den großen Billardtisch in der Mitte des Raums.
»Finden hier viele Partys statt?«, fragte Michele.
»Leider nein«, gab Annaleigh voller Bedauern zu, als sie Michele aus dem Raum führte. »Nicht in den zehn Jahren, die ich jetzt hier bin. Aber früher waren die Windsors berühmt für die Gesellschaftsbälle, die sie gaben. Ich glaube, als dann nur noch deine Großeltern hier lebten, hatten sie keinen Anlass mehr, Partys zu geben.« Sie erreichten den überdachten Innenhof, der einen Blick auf den hinteren Garten bot. »Hier pflanzt deine Großmutter ihre wunderschönen Blumen und Palmen an.«
Verwundert schüttelte Michele den Kopf. »Dieser Ort … er ist ganz unwirklich«, platzte sie heraus. »Es ist, als ob … als ob er nicht in die moderne Welt hineingehört. Er scheint fast … verzaubert zu sein. Wissen Sie, was ich meine?«
»Ja, ich weiß, was du meinst«, stimmte Annaleigh zu. »Die ganze Vergangenheit spricht aus ihm. Wenn man durch die Korridore spaziert, kann man die Geister der verstorbenen Windsors beinahe sehen .«
Michele stutzte und dachte an ihre Mutter. »Wirklich?«
Annaleigh zuckte zusammen. »Oh, Michele. Tut mir leid. Das war taktlos von mir. Ich habe nur gemeint … also ich wollte sagen, das alles hier hat eine so lange Geschichte.«
Michele senkte den Blick. »Ist schon in Ordnung. Ich weiß.«
»Also eigentlich«, fuhr Annaleigh nervös fort, »wäre jetzt das Esszimmer an der Reihe, aber da du in einer Stunde sowieso dort zu Abend essen wirst, können wir uns das sparen. Du bist sicher gespannt, dein Zimmer zu sehen.«
Michele nickte und folgte Annaleigh die Prunktreppe hoch. Im Zwischengeschoss warfen sie einen Blick in Walters Arbeitszimmer und Dorothys Salon, die an entgegengesetzten Enden des Flurs lagen. Als sie den Salon betraten und ihr klar wurde, dass dies der Raum war, in dem Marion ihren schicksalhaften Abschiedsbrief hinterlassen hatte, überlief es Michele kalt.
Oben waren die Marmorwände hellrosa, passend zu den mit roten Teppichen ausgelegten Korridoren. Wenn man sich über das Geländer im dritten Stock lehnte, konnte man auf die gewaltige Treppe und die Grand Hall hinabschauen.
»Dies hier ist ein ganz besonderes Zimmer«, sagte Annaleigh mit mädchenhaftem Enthusiasmus, während sie zu den Flügeltüren vorausging. »Die meisten Windsor-Töchter hatten als Heranwachsende dieses Zimmer, vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis in jüngste Zeit … auch Marion.« Annaleigh öffnete die Türen, und Michele hielt die Luft an.
Das Zimmer war fliederfarben, mit antikem französischen Mobiliar, das eher an den Hof von Versailles zu gehören schien als in das Zimmer eines jungen Mädchens. Das luxuriöse Doppelbett mit dem kunstvoll geschnitzten cremefarbenen Kopfende und den schneeweißen Vorhängen stand auf einem Podest. Ein Abusson-Teppich mit Blumenmuster verstärkte die Wirkung noch. Es gab sogar einen großen Kamin in Grau und Weiß mit einem goldenen Kronleuchter auf jeder Seite. Auf dem Kaminsims standen eine goldene Kaminuhr und ein großer Spiegel.
»Es ist, als würde man in der Zeit zurückgehen«, murmelte Michele und fingerte an den fliederfarbenen Vorhängen herum, die vor den hohen Fenstern hingen. »In eine Epoche, in der noch niemand Jeans trug.«
Sie spazierte im Zimmer herum und betrachtete den Schreibtisch und den zierlichen weißen Frisiertisch aus Mahagoni. Beim Anblick der Accessoires, die den Frisiertisch bedeckten – Porzellanbürsten, Spiegel und Parfümflaschen, die alle das Monogramm MW trugen –, lief es ihr kalt den Rücken hinab.
»Das hier … gehörte meiner Mom?«, fragte Michele, die Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
Annaleigh nickte. »Deine Großeltern haben das Zimmer immer so gelassen wie zu der Zeit, als sie hier lebte.« Sie hielt inne. »Ist das in Ordnung?«
»Natürlich«, murmelte Michele und griff nach dem Handspiegel ihrer Mutter. Es hatte etwas Tröstliches, von den alten Dingen ihrer Mom umgeben zu sein, so als könne Marion jeden Moment
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