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Timeless: Roman (German Edition)

Timeless: Roman (German Edition)

Titel: Timeless: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Monir
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Saures gebissen.
    »Diese Musik wird in unserem Haus nicht gespielt«, ermahnte ihn Henrietta streng.
    »Wie bitte?«, fragte Philip ungläubig.
    »Du hast Negermusik gespielt«, zischte Violet. »Was würden nur die Leute sagen , wenn sie das wüssten!«
    Vor Entsetzen fiel Michele die Kinnlade runter. Philip bedachte Violet und ihre Mutter mit einem eisigen Blick. »Das nennt man Ragtime«, erklärte er tonlos.
    »Das ist Musik aus dem Rotlichtmilieu«, befand Hen rietta und schüttelte vor Abscheu den Kopf. »Ich erwarte, dass du als mein künftiger Schwiegersohn meine Tochter nie wieder mit solcher Musik behelligst.«
    »Es ist ein Jammer, dass Sie so denken.« Philip holte seine Taschenuhr heraus und warf einen flüchtigen Blick darauf. »Ich sollte mich jetzt besser verabschieden. Meine Mutter und mein Onkel erwarten mich.«
    »Philip!«, stotterte Violet, die wohl erriet, weshalb er sich so überstürzt verabschieden wollte.
    »Violet, ich nehme an, wir sehen uns bald wieder«, sagte Philip herzlich. »Auf Wiedersehen, Mrs. Windsor, Frances.« Als er nach seinem Hut griff und auf die Tür zusteuerte, blickte er Michele tief in die Augen.
    »Hören Sie nicht auf sie«, stieß Michele, ohne Hallo zu sagen, hervor, als Philip die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Die sind total ignorant. Der Großteil Ihrer Generation mag noch glauben, dass es eine rassenbedingte Hackordnung gibt, doch die Geschichte hat bewiesen, dass sie unrecht haben. Die afroamerikanische Musik ist keine Negermusik , sondern einfach gute Musik. Und es ist toll, dass Sie so inspiriert davon sind, denn Ihr Lied ist wundervoll. So sehr ich Chopin auch mag, Ragtime ist doch viel cooler.«
    Philips Mundwinkel zuckten amüsiert. »Ich gestehe, dass ich kein Wort von dem begriffen habe, was Sie gerade gesagt haben. Aber irgendwie sehe ich darin ein Kompliment«, sagte er leise, um kein Aufsehen zu erregen.
    »Oh.« Ich muss daran denken, dass ich 1910 keinen Slang verwenden darf , dachte Michele. »Ich sagte, dass die anderen völlig im Irrtum sind und dass Sie weiterhin Ragtime spielen müssen. Ich habe noch nie einen so begnadeten Klavierspieler erlebt, und es war …« Michele rang nach dem richtigen Ausdruck, »spektakulär«.
    Philip blieb stehen und sah sie an. Seine Augen strahlten. Dann griff er ganz unerwartet nach ihrer Hand. Ihre Finger verschränkten sich wie selbstverständlich. Er führte sie aus dem Haus und schwieg, bis sie die Tore von Windsor Mansion hinter sich gelassen hatten.
    »Es gibt so vieles, das ich Ihnen sagen und Sie fragen wollte, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben«, sagte er eindringlich. »Ich weiß, es schickt sich eigentlich nicht, aber der einzige Ort, an dem ich mich ungesehen mit Ihnen unterhalten kann, ist bei mir zu Hause. Darf ich Sie dorthin führen?«
    Michele nickte. Es überraschte und elektrisierte sie, dass er sich plötzlich so anders verhielt. »Natürlich.«

8
    P hilip geleitete sie durch die bogenförmigen Glastüren des Walker Mansion und hinein in das luxuriöse Herrenhaus. Sie gingen durch Korridore, die mit karmesinroten Teppichen ausgelegt und mit Gobelins und Gemälden aus dem 18. Jahrhundert geschmückt waren. Philip führte Michele in einen Salon und schloss die Tür hinter ihnen. Die Wände waren in Weiß und Gold getäfelt, die Decke war vergoldet, an den Fenstern hingen elegante Vorhänge, und die Möbel hatten verschiedene Bordeaux-Schattierungen. In der Mitte des Raums befand sich ein großes, aufwendig bemaltes Klavier, daneben stand eine goldene Harfe.
    »Das ist das Musikzimmer – der einzige Raum im Haus, der ausschließlich von mir genutzt wird«, erklärte Philip grinsend.
    »Er ist sehr schön.« Wer hätte gedacht, dass mir Häuser dieser Größe und dieses Stils so schnell vertraut sein würden? , überlegte Michele staunend.
    Mit einer Geste bedeutete Philip ihr, sich neben ihn auf den Klavierschemel zu setzen. Michele konnte plötzlich ihre Neugier nicht mehr im Zaum halten. »Philip, was ist geschehen?«, sprudelte es aus ihr hervor. »Ich dachte, Sie wollte nicht … ich dachte, du wolltest mich meiden.«
    »Ich wollte es nicht, ich glaubte, ich müsste es«, erklärte Philip. »Diese Szene mit den Windsors, die du eben er lebt hast, das ist das Leben, an das ich gewöhnt bin – streng kontrolliert. Mein Onkel und die Gesellschaft halten die Zügel in der Hand, verwehren mir Freiheit und Glück. Jahrelang habe ich empfindungslos dahingelebt und bin mir dessen

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