Timeless: Roman (German Edition)
erst bewusst geworden, als du in mein Leben getreten bist und … es geschafft hast, dass ich wieder etwas empfinde . In den letzten beiden Wochen … fühle ich mich wieder lebendig, voll nervöser Unruhe, ob du wohl zurückkehrst … und voller Sorge, dass du es nicht tun würdest.«
Micheles Gesicht begann zu glühen, und einen Mo ment lang brachte sie kein Wort heraus. »Das freut mich«, erwiderte sie schließlich voller Scheu. Sie rutschte etwas näher an ihn heran, und sie lächelten sich an. Philip verschlang sie mit Blicken, und als er ihren knielangen karierten Rock und die kurzärmelige weiße Bluse betrachtete, errötete er. »Du bist … viel zu schlicht gekleidet«, bemerkte er.
»Nicht für 2010«, erwiderte Michele kichernd. »Das ist meine Schulkleidung, und die gilt auch in meiner Zeit als konservativ.«
»Seit ich dich zuletzt gesehen habe, stelle ich mir Fragen über die Zukunft«, sagte Philip, sein Blick verriet Neugier. »Erzählst du mir etwas darüber?«
Michele zögerte. »Bist du sicher, dass du es wissen willst?« Sie fragte sich, ob es hierzu Regeln gab – ob es schlecht wäre, wenn sie enthüllte, was in der Zukunft lag. Doch Philip nickte so eifrig, dass sie es nicht übers Herz brachte, ihn zu enttäuschen.
»Nun … die Wahrheit ist, die Zukunft ist völlig anders als die Zeit, in der du lebst«, begann sie. »In meiner Zeit fliegen wir mit Flugzeugen rund um die Welt. Raketen schicken Astronauten in den Weltraum. Menschen haben den Mond betreten …« Als sie Philips Miene sah, verstummte sie. Er sah so ungläubig aus, dass sie unwillkürlich kichern musste.
»Seit 1903 versuchen wir, Menschen in den Weltraum zu schicken, doch bis jetzt ist es keinem gelungen«, erklärte Philip. »Aber es funktioniert tatsächlich? Man kann also in den Weltraum und zum Mond fliegen?«
»Das ist noch nicht alles«, fuhr Michele fort, die jetzt so richtig in Fahrt kam. »Wir haben Computer, die ein bisschen den Schreibmaschinen ähneln, aber mit allen möglichen Programmen und Anwendungen ausgestattet sind. Praktisch kann man alles , was man sich vorstellt, am Computer erledigen. Wir besitzen auch kleine Telefone, die wir immer bei uns tragen, und dann gibt es diese großartige Erfindung namens Internet, über das man innerhalb von Sekunden mit Menschen auf der ganzen Welt in Kontakt treten kann. Wir haben Zugang zu allem, was wir wollen – Unterhaltung, Kommunikation und Nachrichten –, wann immer wir es wollen, indem wir uns einfach auf unserem Computer ins Internet einloggen. Im Computer sind auch Videokameras eingebaut. Wenn ich mich also in New York befinde, kann ich mich mit jemandem in Afrika so gut unterhalten, als befänden wir uns im selben Zimmer.«
Philip saß benommen auf der Stuhlkante und lauschte ihr atemlos, und Michele begriff, dass die Dinge, die für sie selbstverständlich waren, seine Vorstellungskraft über stiegen. »Habt ihr schon Filme?«, fragte sie ihn.
»Ja, Filme sind die neueste Modeerscheinung. Aber das Bild flimmert immer und die Geschichten sind kurz, nicht einmal fünf Minuten lang. Ich mag das Theater lieber«, bemerkte Philip.
»Bei uns sind Filme so lang wie Bühnenstücke, haben ein ungetrübtes Bild und sind in Farbe. Zudem sind es Ton filme mit Spezialeffekten«, fuhr Michele fort. »Und dann gibt es in jedem Haushalt einen Fernseher. Das ist ein großer Kasten mit einem Bildschirm. Man kann zwischen vielen Kanälen wählen, und jeder Kanal zeigt ein anderes Programm. Bei uns ist die Berieselung durch Unterhaltung und neue Technologie allgegenwärtig.«
»Das hört sich unglaublich an«, staunte Philip. »Im Vergleich dazu muss dir unsere Welt entsetzlich langweilig erscheinen.«
»Nicht unbedingt. Sie ist einfach anders. Mir gefällt das alte New York«, erwiderte Michele.
»Was gefällt dir daran?«, wollte Philip wissen.
»Ich mag die Farben … die freien Plätze und den sauberen Himmel«, sagte Michele nachdenklich. »Ich weiß nicht. Ich vermute, es gefällt mir, weil es irgendwie … unschuldiger aussieht.«
Philip lächelte sie an. »Du beschreibst New York sehr treffend.«
»Erzähl mir mehr über das Jahr 1910. Wie erlebst du es?«, fragte Michele.
Philip verschränkte die Arme hinter dem Rücken und dachte nach. »Es ist als … lebe man zwischen Altem und Neuem. Die Stadt steht noch mit einem Bein in ihrer viktorianischen Vergangenheit und mit dem anderen in deiner Zukunft. Täglich entstehen neue Wolkenkratzer, mit denen
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