Timeless - Schatten der Vergangenheit: Roman (German Edition)
opulenten Hotels, bis sie das aus weißem Marmor erbaute Windsor Mansion in der Fifth Avenue erreichten, das sich stolz vor dem spektakulären Anblick des Central Parks erhob. Noch immer weiteten sich Micheles Augen jedes Mal vor Staunen, wenn der Wagen die schmiedeeiser nen Eingangstore passierte und sie das Anwesen mit seinen korinthischen Säulen und dem Palazzo-Design in voller Pracht erblickte. Bei seiner Erbauung im Jahr 1887 hatte das Windsor Mansion als eine der größten architektonischen Errungenschaften Amerikas gegolten. Über 120 Jahre später fand Michele es nicht weniger Ehrfurcht einflößend.
Als sie hinter Fritz aus dem Wagen stieg, sah sie im Fenster des Haupteingangs etwas, das sie unwillkürlich verhar ren ließ: eine schwarz gekleidete Gestalt, eingehüllt in einen nebelartigen Schleier, die sie eingehend musterte.
Micheles Handflächen wurden feucht, und Panik brodelte in ihrer Brust, als sie erkannte, dass es die gleiche Gestalt war, die sie kurz nach Philips Ankunft in der Schule gesehen hatte – bevor sie ohnmächtig geworden war.
»Was … wer … ist das?«, stammelte sie und wandte sich nervös zu Fritz um.
Der Chauffeur sah sie skeptisch und verwirrt an. »Wovon sprechen Sie, Miss?«
Michele deutete direkt geradeaus. »Dort – diese Person oder das Etwas im Fenster. Sehen Sie es nicht?«
Fritz blickte zum Fenster und drehte sich dann mit besorgter Miene wieder zu ihr um. »Ich sehe nichts.«
Sie sah Fritz scharf an. Wie war es möglich, dass er dieses seltsame Wesen nicht sah? Und plötzlich kam ihr ein unglaublicher Gedanke, als sie sich daran erinnerte, wann sie selbst unsichtbar geworden war: Vielleicht ist es ein Zeit reisender.
Michele stieß ein nervöses Lachen aus. »Wow, das ist seltsam. Ich … Es muss ein Schatten oder so was gewesen sein.«
Fritz runzelte die Stirn und musterte sie gründlich. »Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht?«
Sie zwang sich zu einem beiläufigen Tonfall. »Es geht mir gut, ehrlich. Vielleicht brauche ich nur ein neues Rezept für meine Kontaktlinsen.«
Als sie Fritz beklommen ins Haus folgte, lüftete sich der neblige Schleier, und das Wesen am Fenster war mit einem Mal deutlich zu erkennen. Es war ein echter Mensch – ein Mädchen etwa in Micheles Alter. Sie hatte ihnen noch immer den Rücken zugekehrt und starrte aus dem Fenster, so dass Michele nur aufgetürmte, glänzend schwarze Haare über einer hochgewachsenen Figur sah, die in ein burgunderfarbenes Kleid aus dem 19. Jahrhundert gehüllt war.
Es gibt also noch andere Zeitreisende außer mir … und meinem Vater. Die Erkenntnis traf Michele mit voller Wucht, und bei dem Gedanken an Philip begann ihr Herz schneller zu schlagen. Wenn diese Fremde in Windsor Mansion eine Zeitreisende war … vielleicht war Philip dann auch einer? Aber das würde noch nicht erklären, warum er sie nicht kannte. Bei ihren eigenen Zeitreisen hatte sich Michele immer an alles erinnern können.
»Entschuldige bitte«, sagte sie leise, sobald Fritz außer Hörweite war. »Wer bist …«
Doch bevor sie den Satz zu Ende bringen konnte, begann die Erscheinung des Mädchens zu flimmern und löste sich in Luft auf. Eine kalte Welle der Angst überrollte Michele. Irgendetwas sagte ihr, dass dieses Mädchen seine Identität vor Michele hatte verbergen wollen.
Was war das? Was um alles in der Welt geht hier vor?, überlegte Michele fieberhaft. Konnte sie ihrem Instinkt trauen, und das Mädchen war eine Zeitreisende? Oder war sie einfach verrückt geworden, als Philip Walker bei ihr in der Schule aufgetaucht war – Halluzinationen inklusive?
»Michele, hi!«
Annaleigh, die Haushälterin in mittleren Jahren, platzte in Micheles panikartige Gedanken, als sie das Zimmer betrat.
»Hey, Annaleigh.«
Annaleigh blickte Michele mit ihren hellblauen Augen prüfend an. »Geht es dir gut? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.«
Vielleicht habe ich das.
»Oh, es geht mir gut.« Während sie das sagte, fiel ihr auf, dass sie schon den ganzen Tag allen möglichen Leuten versicherte, dass mit ihr alles in Ordnung sei. Was war nur mit ihr los ? Sie atmete tief durch, nicht weniger verwirrt als vorher, aber fest entschlossen, wenigstens so zu tun, als wäre alles normal – so lange, bis sie es selbst glaubte. »Wie läuft es hier?«
»Ganz gut, glaube ich. Heute Nachmittag war mir aufgefallen, dass deine Großmutter Atemnot hatte. Dein Großvater und sie selbst schienen sich nichts dabei zu denken,
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