Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit
ihren chevauchées auf unsere Scholle kamen, unser Volk ermordeten, unsere Frauen schändeten, unsere Tiere abschlachteten, unsere Ernten vernichteten, unsere Städte zerstörten und unserem Handel ein Ende machten. Und wozu? Nur damit blutrünstige englische Seelen in fremden Landen beschäftigt sind. Damit sie die Reichtümer eines ehrbareren Landes stehlen können. Damit jede englische Lady ihren Gästen auf französischen Tellern auftragen kann. Damit sie behaupten können, ehrbare Ritter zu sein, wo sie nichts Heldenhafteres tun, als Kinder zu metzeln.«
Arnaut unterbrach seine Tirade und sah mit ruhelosem, argwöhnischem Blick zwischen ihren Gesichtern hin und her. »Und deshalb«, fuhr er dann fort, »kann ich nicht verstehen, warum Ihr Euch auf die Seite des englischen Schweins Oliver geschlagen habt.«
Chris entgegnete schnell: »Das ist nicht wahr, Mylord.«
»Meine Geduld ist zu Ende. Gesteht: Ihr helft Oliver, denn Euer Magister steht in seinen Diensten.«
»Nein, Mylord. Der Magister wird gegen seinen Willen festgehalten.«
»Gegen … seinen …« Arnaut warf verärgert die Hände in die Höhe. »Wer kann mir sagen, was dieser triefende Halunke sagt?«
Der gutaussehende Ritter trat zu ihnen. »Mein Englisch ist gut«, sagte er. Und dann zu Chris: »Spek ayain.« Sagt es noch einmal.
Chris überlegte kurz und hob dann an: »Magister Edwardus…«
»Ja…«
»… ist ein Gefangener.«
»Gefa…?« Der gutaussehende Ritter runzelte verwirrt die Stirn. »Geffang… ?«
Chris hatte den Eindruck, daß das Englisch des Ritters nicht so gut war, wie er glaubte. Er beschloß, noch einmal sein Latein hervorzukramen, so schlecht und archaisch es auch sein mochte.
»Est in carcerc — captus — lieri captus est de coenobio sanctae Marine.« Er hoffte, daß dies bedeutete: Er wurde gestern morgen aus Sainte-Mere verschleppt.
Der Ritter hob die Augenbrauen. »Invite?« Gegen seinen Willen?
»Führwahr, Mylord.«
Der Ritter sagte zu Arnaut: »Sie sagen, Magister Edwardus wurde gestern gegen seinen Willen aus dem Kloster verschleppt und ist jetzt Olivers Gefangener.«
Arnaut drehte sich schnell um und sah ihnen eindringlich in die Augen. Mit leiser, drohender Stimme sagte er: »Sed vos non capti estis. Nonne?« Ihr wurdet nicht gefangengenommen?
Chris zögerte wieder. »Äh, wir… «
»Qui?«
»Nein, nein, Mylord«, sagte Chris hastig. »Ah, nein. Wir konnten fliehen. Äh, ef-effugi-i-ismus. Effugimus.« War dies das richtige Wort? Er schwitzte vor Aufregung.
Anscheinend war es gut genug, denn der gutaussehende Ritter nickte. »Sie sagten, sie konnten fliehen.«
»Sie konnten fliehen? Von wo?« blaffte Arnaut.
Chris: »Ex Castelgard heri …«
»Ihr seid gestern aus Castelgard geflohen?«
»Etiam, mi domine.« Ja, Mylord.
Arnaut starrte ihn an und sagte lange Zeit gar nichts. Oben auf der Empore bekamen die Männer die Stricke um den Hals gelegt und wurden über die Brüstung gestoßen. Doch der Sturz brach ihnen nicht das Genick, und so hingen sie da und zuckten und röchelten, während das Leben in ihnen quälend langsam erlosch.
Arnaut schaute zu den Gehenkten hoch, als ärgerte es ihn, von ihrem Todesröcheln gestört zu werden. »Ein paar Stricke sind noch übrig«, sagte er und sah wieder Kate und Chris an. »Ich werde Euch die Wahrheit schon entreißen.«
»Ich spreche wahr, Mylord«, sagte Chris.
Arnaut drehte sich auf dem Absatz um. »Habt ihr mit Bruder Marcel gesprochen, bevor er starb?«
»Marcel?« Chris gab sich Mühe, verwirrt zu wirken. »Marcel, Mylord?«
»Ja, ja. Marcel. Cognivistine fratrem Marcellum?« Kennt Ihr Bruder Marcel?
»Nein, Mylord.«
»Transitum ad Roccam cognitum habesne?« Bei diesem Satz brauchte Chris nicht auf die Übersetzung zu warten: Den Geheimgang nach La Roque, kennt Ihr ihn?
»Der Gang… transitum…« Chris zuckte noch einmal die Achseln, als wisse er nicht, was Arnaut meinte. »Den Gang?… Nach La Roque? Nein, Mylord.«
Arnaut machte ein ungläubiges Gesicht. »Mir scheint, Ihr wißt überhaupt nichts.« Er starrte sie an, und seine Nase zuckte, so daß es aussah, als würde er sie beschnuppern. »Ich glaube Euch nicht. Ihr seid Lügner.« Er wandte sich an den gutaussehenden Ritter. »Hängt einen, damit der andere redet.«
»Welchen, Mylord?«
»Ihn«, antwortete Arnaut und zeigte auf Chris. Dann sah er Kate an, kniff sie in die Wange und streichelte sie. »Denn dieser schöne Knabe rührt mein Herz. Ich werde ihn heute
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