Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit
war, um einen Sprung riskieren zu können, und ließ sich dann in den Fluß plumpsen. Chris sah ihn nicht wieder an die Oberfläche kommen. Ein paar Momente später explodierte die Getreidemühle in einem Lichtblitz und einer Kaskade fliegender Trümmer. Soldaten, die von der Wucht der Explosion in die Luft geschleudert wurden, purzelten wie Puppen von den Wachtürmen. Als Rauch und Staub sich legten, sah Chris, daß die Getreidemühle verschwunden war — nur ein paar brennende Balken waren noch übrig. Tote Soldaten trieben auf dem Fluß inmitten von Brettern der zerstörten Mühle.
Marek sah er nirgendwo, und Kate ebenfalls nicht. Eine weiße Mönchskutte trieb auf der Strömung an ihm vorüber, und er hatte plötzlich das bestürzende Gefühl, daß Marek tot war.
Wenn das stimmte, dann war er allein. Es war ihm egal, ob er abgehört werden konnte. Er tippte sich ans Ohr und fragte leise: »Kate? André?«
Keine Antwort.
»Kate, bis du da? André?«
Er hörte nichts in seinem Ohrstöpsel, nicht einmal statisches Rauschen.
Ein Männerkörper trieb mit dem Gesicht nach unten auf dem Fluß. Er sah aus wie Marek. Wirklich? Ja. Chris war sich sicher: dunkelhaarig, groß, stark, in einem leinenen Unterhemd. Chris stöhnte auf. Etwas weiter oben am Ufer schrien Soldaten; er hob den Kopf, um nachzusehen, wie nah sie waren. Als er dann wieder zum Fluß schaute, war der Körper weitergetrieben.
Chris setzte sich wieder und versuchte zu überlegen, was er jetzt tun sollte.
Mit dem Gesicht nach oben durchbrach Kate die Wasseroberfläche. Hilflos trieb sie mit der Strömung flußabwärts. Um sie herum prasselten zersplitterte Holzstücke ins Wasser wie Geschosse. Der Schmerz in ihrem Nacken war so heftig, daß er ihr fast den Atem nahm, mit jedem Atemzug schossen ihr elektrische Schläge in Arme und Beine. Sie konnte ihren Körper nicht regen, und erst dachte sie, sie sei gelähmt, doch dann merkte sie, daß sie ihre Fingerspitzen und Zehen bewegen konnte. Der Schmerz zog sich zurück, an ihren Gliedern hoch, und setzte sich im Genick fest, wo er sehr heftig war. Aber sie konnte jetzt ein bißchen freier atmen und ihre Glieder bewegen. Sie probierte es noch einmal: Ja, sie konnte ihre Glieder bewegen.
Sie war also nicht gelähmt. Hatte sie sich das Genick gebrochen? Sie probierte kleine Bewegungen, drehte den Kopf ganz leicht nach links, dann nach rechts. Es tat sehr weh, aber es schien alles okay zu sein. Sie trieb auf dem Wasser. Etwas Dickflüssiges troff ihr ins Auge, so daß sie kaum etwas sehen konnte. Als sie es wegwischte, sah sie, daß es Blut war. Es mußte von irgendwo an ihrem Kopf kommen. Ihre Stirn brannte. Sie berührte sie mit der flachen Hand. Danach war die Handfläche hellrot vor Blut.
Noch immer auf dem Rücken trieb sie weiter flußabwärts. Der Schmerz war so stark, daß sie sich nicht traute, sich umzudrehen und ans Ufer zu schwimmen. Vorerst trieb sie nur. Ob die Soldaten sie schon entdeckt hatten?
Geschrei vom Ufer beantwortete ihr Frage. Man hatte sie entdeckt.
Chris spähte genau in dem Augenblick über die Büsche, als Kate auf dem Rücken vorbeitrieb. Sie war verletzt, die ganze linke Seite ihres Gesichts war blutve rschmiert, offensichtlich von einer Kopfwunde. Und sie bewegte sich kaum. Vielleicht war sie gelähmt.
Einen Augenblick lang kreuzten sich ihre Blicke, und sie lächelte schwach. Er wußte, wenn er sich jetzt zeigte, würde er gefangengenommen, aber er zögerte nicht. Jetzt, da Marek nicht mehr war, hatte er nichts mehr zu verlieren, da konnten sie genausogut bis zum Ende zusammenbleiben. Er platschte ins Wasser und watete zu ihr hinaus.
Erst jetzt erkannte er seinen Fehler.
Er war in Reichweite der Bogenschützen, die noch auf dem übriggebliebenen Brückenturm standen und jetzt auf ihn schossen. Ein Hagel von Pfeilen prasselte um ihn herum ins Wasser.
Im selben Moment trieb ein Ritter in voller Rüstung sein Pferd von Arnauts Seite her ins Wasser. Der Ritter hatte sein Visier heruntergeklappt, und Chris konnte sein Gesicht nicht sehen, aber offensichtlich fürchtete er nichts, denn er ritt so, daß er mit seinem Körper und seinem Pferd den Bogenschützen die Schußbahn verstellte. Das Pferd sank immer tiefer, je näher sie kamen, und schwamm schließlich; der Ritter war bis zur Taille im Wasser, als er Kate wie einen nassen Sack auf seinen Sattel hievte, dann Chris am Arm packte, »Allons« rief und zum Ufer zurückkehrte.
Kate glitt vom Sattel zu Boden. Der
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