TimeRiders 03: Der Pandora Code
war, wo ihn die dicht stehenden Bäume daran hinderten, den Schwanz als Waffe einzusetzen, hatten die Mitglieder des Rudels Viele Zähne von allen Seiten angesprungen. Sie hatten seine dicke Haut und die elastischen Muskeln mit Zähnen und Krallen zerfetzt, um an das weiche Gewebe darunter zu kommen.
In den vergangenen Jahreszeiten hatte Gebrochene Kralle viele dieser Angriffe geleitet. Immer hatte er sich als Erster durch die Haut und den Bauch dieser Tiere gebissen und gefressen, ihnen die Eingeweide herausgezerrt, während sie noch brüllend kämpften. Immer als Erster hatte er das pulsierende, rote Organ in ihrem Brustkorb erreicht. Nur indem man es zerriss, konnte man Viele Zähne zu Fall bringen. Gebrochene Kralle und die Seinen wussten, dass dieses Organ â das in jedem Lebewesen zu stecken und auf geheimnisvolle Weise ein Eigenleben zu besitzen schien â die Quelle des Lebens jedes Tieres war.
In den Jahreszeiten seiner Jugend waren die Wälder noch voll von diesen dummen Muskelbergen gewesen. Es hatte so viele von ihnen gegeben, dass sie oft mehr getötet hatten, als sie essen konnten. Meist hatten sie nur in den schmackhaftesten Organen geschwelgt und alles andere liegen lassen.
Aber inzwischen gab es weniger dieser Riesentiere. Wesentlich weniger. Und die, die es noch gab, hielten sich nur in der Ebene auf.
Gebrochene Kralle begriff ein einfaches Prinzip. Sie hatten zu viele von ihnen getötet. Sie waren im Wald erfolgreicher gewesen, als für sie gut gewesen war, und so hatte sein Rudel im Verlauf seines eigenen Lebens von einem Waldtal zum nächsten wandern müssen. Inzwischen lebten auch in diesem Wald wesentlich weniger Beutetiere als früher: wieder ein Jagdrevier, das sie beinahe vollständig ausgeschöpft hatten.
Was an Nahrung noch da war, war zu knapp, als dass sie es mit diesen neuen Tieren hätten teilen können.
Langsam und lautlos glitt er auf die von Kies bedeckte Fläche zu, darauf bedacht, so behutsam aufzutreten, dass die Steine nicht wegrollten oder knirschten. Hinter sich hörte er das leise, hustende Bellen eines seiner Rudelgefährten. Es warnte ihn davor, diesen Wesen zu nahe zu kommen. Gebrochene Kralle ignorierte die Warnung. Er wollte den Geräuschen lauschen, die diese Wesen hervorbrachten. Vielleicht konnte er ihre Rufe erlernen und nachahmen. Vielleicht konnte er gegen sie dieselbe Taktik einsetzen, wie gegen Viele Zähne: einen Laut finden, den ihre Jungen einüben und einsetzen konnten, um eines der neuen Tiere von den anderen wegzulocken.
Wenn es ihnen doch nur gelänge, eines von den anderen abzusondern! Sie würden es sich genauer ansehen, um herauszufinden, wie gefährlich es werden konnte, sie würden seine Schwachpunkte entdecken. Vielleicht würde in den letzten Augenblicken seines Lebens sogar etwas von seiner Intelligenz auf sie übergehen. Und dann würde er, Gebrochene Kralle, herausfinden, ob dieses neue Tier in seinem Brustkorb ebenfalls dieses rote, bebende Organ barg, dieses Organ, das Leben möglich machte.
40
65 Mio. Jahre v. Chr. Urwald
Liam schaute zu dem Untier auf, das gemächlich auf sie zukam. »Bist du dir sicher, dass das ein Pflanzenfresser ist?«
Franklyn lachte. »Ja, entspann dich. Es ist ein Alamosaurus.«
Liam sah zu, wie die riesige, langhalsige Kreatur mit wuchtigen, majestätischen Schritten die Ebene durchquerte und auf den Wald hinter ihnen zusteuerte. Bei jedem seiner Schritte bebte der Boden.
Jessasmariaundjosef, das Ding ist so groà wie ein kleines Schiff!
Er schätzte, dass in dem freien Raum zwischen seinen Vorder- und seinen Hinterbeinen ein Doppeldecker-Tramwagen Platz finden würde, ohne dass das Wagendach den Bauch des Dinosauriers berührte. Der winzige Kopf des Tieres, der aus dieser Entfernung mehr wie eine Beule am Ende des langen Halses aussah, schwang hinunter in Bodennähe. SchlieÃlich blieb es stehen, um sich die kleinen Zweibeiner genauer anzuschauen.
»Bist du dir wirklich ganz, ganz sicher?«, rief Liam, als der Kopf wenige Meter von ihm entfernt in Schulterhöhe schwebte.
»Ja, er hat vermutlich mehr Angst vor dir, als du vor ihm.«
»Nein«, meinte Liam und schüttelte krampfartig den Kopf, »das glaube ich nicht.«
»Siehst du, er will dich nur kennenlernen«, sagte Franklyn, während er vorsichtig zu Liam und Becks hinüberging. »Hey, GroÃer!«, flüsterte er.
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