TimeRiders
verbogen sich die Stahlträger des Hochhauses. In den Wänden um sie herum knarzte und knackte es.
Hari Vikram sah sich den Fremden aufmerksam an. Er hatte keinesfalls übersehen, dass der Mann nicht von Kopf bis Fuà von Staub bedeckt war. »Sie sind sauber. Wie sind Sie hier reingekommen? Gibt es noch einen anderen Weg nach unten?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Aber ⦠aber bevor die Decke einbrach, waren Sie nicht bei uns. Es muss noch einen anderen Fluchtweg geben â¦Â«
»Ich bin gerade erst gekommen«, erwiderte der Mann. »Und ich muss bald wieder gehen. Wir haben nicht viel Zeit.«
Sals Mutter ging auf ihn zu. »Gehen? Wie denn? Können Sie ⦠können Sie uns helfen?«
»Ich kann nur einem von Ihnen helfen.« Er sah Sal an. »Dir. Saleena Vikram.«
Sal spürte, wie sich alle Blicke schlagartig auf sie richteten.
»Nimm meine Hand«, sagte der Mann.
»Wer sind Sie?«, fragte Sals Vater.
»Ich bin für Ihre Tochter der einzige Ausweg. Wenn sie meine Hand nimmt ⦠wird sie leben. Wenn nicht, wird sie gemeinsam mit Ihnen allen sterben.«
Einer der kleinen Jungen weinte. Sal kannte ihn. Sie hatte oft auf die Söhne der Chaudhrys aufgepasst. Er war neun Jahre alt und vollkommen verängstigt. Er drückte sein Lieblingsspielzeug, einen einäugigen Teddybären, so fest an sich, als könne der ihn hier rausbringen.
Wieder erklang hallendes, metallisches Stöhnen. Es kam von einem der Stahlträger. Der Rahmen des Hochhauses verformte sich weiter. Es hörte sich an wie der Klagelaut eines sterbenden Wals oder das Geräusch, das in einem Schiff entstand, wenn es unterging. Die staubige Luft war inzwischen beinahe schon zu heiÃ, um sie einzuatmen.
»Uns bleiben nur noch gut zwei Minuten«, erklärte der Mann. »Die Hitze des Feuers verformt den Stahlrahmen des Hauses. Palace Towers wird einstürzen â erst senkrecht und dann seitwärts â auf das Einkaufszentrum nebenan. Innerhalb der nächsten 120 Sekunden werden 5000 Menschen ihr Leben verlieren. Und morgen werden die Zeitungen voll sein von Artikeln über die Terroristen, die dafür verantwortlich sind.«
»Wer ⦠wer sind Sie?«, fragte Sals Vater noch einmal.
Der Mann â er sah ziemlich alt aus, vielleicht wie 60 oder 70 â ging durch die Leute auf Sal zu. »Wir haben keine Zeit mehr. Du musst meine Hand nehmen«, sagte er und streckte sie ihr entgegen.
Sals Vater stellte sich ihm in den Weg. »Wer sind Sie? Wie sind Sie bis hierher zu uns gekommen?«
»Es tut mir leid«, sagte der alte Mann zu ihm. »Sie brauchen nur zu wissen, dass ich hierhergekommen bin ⦠und ebenso leicht wieder gehen kann.«
»Wie?«
»Das Wie ist unwichtig ⦠Ich kann es einfach. Und ich kann nur Ihre Tochter mitnehmen ⦠nur Ihre Tochter.« Der alte Mann sah auf seine Armbanduhr. »Jetzt bleibt wirklich nicht mehr viel Zeit â nur noch anderthalb Minuten.«
Sal beobachtete ihren Vater. Er wirkte angespannt, aber sie wusste, dass er â ganz der Geschäftsmann â jetzt sehr beherrscht und effizient nachdachte. Er vergeudete seine Zeit niemals mit Wie und Warum .
Das Feuer im Stockwerk unter ihnen hatte sich weiter ausgedehnt. Inzwischen konnte man an den Wänden schon den Widerschein der Flammen sehen.
Hari Vikram trat beiseite. »Dann nehmen Sie sie mit! Sie müssen sie mitnehmen!«
Sal sah zu dem alten Mann auf. Seine Fremdheit machte ihr Angst, sie zögerte, ihm die Hand zu geben. Sie glaubte nicht an eine andere jenseitige Welt, weder an Hindugötter noch an Engel. Aber dennoch kam er ihr vor, als könne er nicht von dieser Welt sein. Eine Erscheinung. Ein Geist.
Verärgert über ihr Zögern griff ihr Vater nach ihrer Hand. »Saleena! Du musst mit ihm mitgehen!«
Sie sah ihren Vater an, dann ihre Mutter. »Wa⦠warum können wir nicht alle zusammen gehen?«
Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Nur du, Saleena. Es ist leider so.«
»Warum?« Jetzt erst merkte sie, dass ihr Tränen die Wangen hinunterrannen.
»Du bist etwas Besonderes«, antwortete der alte Mann.
»Bitte, Sie müssen auch meine Söhne mitnehmen«, rief jetzt Mrs Chaudhry.
Der alte Mann drehte sich zu ihr um. »Das kann ich nicht. Ich wünschte, ich könnte es, aber es geht nicht.«
» Bitte! Sie sind noch so klein.
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