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Timm Thalers Puppen

Timm Thalers Puppen

Titel: Timm Thalers Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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sie: »Du mußt doch oft für Herrn Vetrinelli aus Murano Rechnungen bezahlen, direkt an der Kasse der Bank.«
    »Und nicht nur für Herrn Vetrinelli«, sagte ihr Vater.
    »Siehst du«, sagte Fulvia, »und diese Rechnungen zahlst du eben mit Gutscheinen.«
    »Dann müßte ich aber ganze Koffer voll zahlen. Die
    Gutscheine haben ja wenig Wert. Die Rechnungen, die ich bezahlen muß, sind aber oft sehr hoch.«
    »Dann zahlst du eben einen Teil in Gutscheinen, Papa.«
    »Und wozu das alles?« fragte der Bankbesitzer. Aber bevor seine Tochter antworten konnte, legte er ebenfalls den Kopf schräg und sagte: »Erklär mir’s nicht. Ich hab es schon begriffen.« Dann murmelte er: »Vetrinelli zahlt mir alles wieder, was ich für ihn ausgebe. Wenn das, was ich für ihn ausgebe, aber gar nicht voll eingelöst werden muß, weil Gutscheine weggeworfen worden sind, dann…«
    »… dann hast du Geld gewonnen«, sagte seine Tochter
    Fulvia und lachte.
    »Und auf wessen Kosten?« fragte, mit immer noch
    schrägem Kopf, der Bankbesitzer.
    »Auf Kosten von Leuten, die Gutscheine wegwerfen«, sagte Fulvia. Dann rief die Frau des Hauses Tochter und Mann zum Essen, und über Gutscheine wurde nicht mehr gesprochen.
    In den folgenden Tagen aber studierte der Bankbesitzer
    »das Gutscheinwesen«, wie er es nannte, telefonierte mit anderen Bankbesitzern und sprach auch mit den Leuten seiner Bank darüber.
    Die Folge all dieser Überlegungen und Unterredungen war, daß die Bank, wie so viele andere Banken Italiens, ebenfalls Gutscheine ausgab, sehr schlecht gedruckte, auf sehr schlechtem Papier; und der Bankbesitzer hatte ein sehr schlechtes Gewissen dabei.
    Doch lief die Sache so, wie seine Tochter Fulvia es
    vermutet hatte: Sehr viele Gutscheine, die der Bankbesitzer an seine Kunden ausgab, mußte er schließlich gar nicht einlösen, weil fast ein Viertel aller Gutscheine nicht wieder auftauchte in seiner Bank: Die Leute hatten die Fetzen einfach
    weggeworfen.
    »Die Gutscheine haben uns tatsächlich Geld gebracht«, sagte der Bankdirektor eines Abends, als er heimkam, zu seiner Tochter Fulvia.
    »Gutscheine?« fragte seine Tochter. »Welche Gutscheine denn?«
    »Diese Gutscheine, über die wir kürzlich gesprochen haben, Kind, die Gutscheine, die das Kleingeld ersetzen.«
    »Ach so, du meinst das Wegwerfgeld«, sagte die Tochter.
    Dann erzählte sie ihrem Vater von einem Besuch in einem Marionettentheater, in dem sie das Märchen von Hans im Glück gesehen hatte.
    Ein Vierteljahr danach kam der Bankbesitzer auf dem
    Heimweg wieder einmal an dem kleinen Markt vorbei, auf dem er mit der Obstfrau gesprochen hatte.
    Er sah die Frau auch diesmal. Sie zählte wieder Geld. Und wieder warf sie hin und wieder einen allzu zerfetzten Gutschein in den Papierkorb. Doch andere Gutscheine, die gleichfalls zerfetzt waren, legte sie sorgsam in eine offene Zigarrenschachtel.
    »Ich sehe, Signora«, sagte der Bankbesitzer und trat näher.
    »Sie sind klüger geworden: Sie heben auch zerfetzte
    Gutscheine auf.«
    »Nur die aus Venedig«, sagte die Obstfrau. »Die bringe ich, wenn ich genügend beisammen habe, selbst zur Bank. Zuerst habe ich sie sogar nach den Seriennummern geordnet. Aber die werden jetzt immer schlechter gedruckt. Man kann die Nummern meist gar nicht mehr lesen. Hoffentlich sind das keine Fälschungen.«
    »Fälschungen?« Dem Bankbesitzer verschlug’s für einen Augenblick die Sprache. Dann wünschte er der Obstfrau hastig einen guten Abend, ging schneller als gewöhnlich heim und sprach mit seiner Tochter Fulvia.
    »Meinst du«, fragte er sie, »daß es lohnt, diese Gutscheine, die du das Wegwerfgeld nennst, zu fälschen?«
    Fulvia legte den Kopf schräg und antwortete: »Ich glaube, das Papierkaufen und das Bedrucken lohnt nicht, Papa. Das kostet einen Fälscher wahrscheinlich mehr, als der Gutschein wert ist.«
    »Nicht wahr, nicht wahr? Das meine ich auch«, sagte der Bankbesitzer und war wieder beruhigt.
    Aber Vater und Tochter irrten sich. Für irgend jemand lohnte es sich doch, die Gutscheine zu fälschen. Bald wurden mehr Gutscheine zu der Bank gebracht, als vorher ausgegeben worden waren. Da aber Papier und Druck sehr schlecht waren und die Seriennummern unklar oder verschmiert, konnte man echte und gefälschte Gutscheine nicht unterscheiden. Natürlich stellte die Bank die Herstellung und Ausgabe der Gutscheine sofort ein und gab dies auch in allen Zeitungen bekannt. Doch längere Zeit noch mußte die Bank Gutscheine einlösen,

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