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Timm Thalers Puppen

Timm Thalers Puppen

Titel: Timm Thalers Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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»Mir ist aber durchaus nicht klar, wozu Rührung und Tränen gut sein sollen.«
    »Oh«, sagte Timm, »mir ist das klar. Schau, jene Tage, von denen ich dir einmal erzählt habe, die Tage des verkauften Lachens, waren eine harte Zeit. Mit harten Männern, die Kapitalismus machten. Da sprengte Lachen manche gar zu harte Kruste. Jetzt, da die Blüten des Kapitalismus, die Tage des Wohlstands, verwelken, ist Anpassung und Weichheit nötig, ’Sensibilisierung’, wie’s die Leute nennen,- und da erlösen Tränen schön von der Nervenanspannung. Aus diesem Grunde wären Kreschos Tränen dem Baron von Nutzen.«
    »Und besteht die Gefahr, daß Krescho…?«
    Timm winkte lachend ab und sagte: »Krescho ist immer noch viel zu verspielt, Boy. Und er ist so mit sich zufrieden, daß er niemandem etwas von sich selbst abgeben wird. Sei sicher.«
    Wir gingen zu Timms Bungalow, wo ich noch einen kleinen Koffer stehen hatte, und dann zur Mole, von der aus ich wieder nach Venedig fahren wollte. Während wir hier auf den Dampfer warteten, sagte Timm: »Ich habe vor, mir morgen die Bilder in den Galerien der Akademie anzugucken. Hättest du Lust, mich dabei zu begleiten?«
    »Gern«, sagte ich. »Hol mich morgen früh in meinem Hotel ab.«
    Dann kam der Dampfer. Wir verabschiedeten uns; und ich fuhr wieder einmal nordwärts.
    Seltsamerweise zeigte sich weder auf dem Dampfer noch auf dem Markusplatz, wo ich zu Abend aß, eine
    Erscheinungsform des wandelbaren Barons. So ging ich ins Hotel.
    In dieser Nacht träumte mir vom Baron, der eine
    Marionettenpuppe war. Sie knirschte, wenn sie sich bewegte, in den Gelenken. Manchmal sah ich im Halbdunkel hinter der Puppe zwei Augen, die Augen von Krescho. Sie guckten neugierig die Puppe an, und machmal sah ich Lachfältchen in ihren Winkeln.

    DER VIERUNDSECHZIGSTE TAG, AN DEM TIMM THALER
    UND ICH EINE BILDERGALERIE IN VENEDIG BESUCHEN UND
    HIER DEM BANKANGESTELLTEN EGON SIEBERT BEGEGNEN,
    AN DEM WIR DURCH VENEDIGS GASSEN SCHLENDERN UND
    AN DEM TIMM MIR AUF DEN STUFEN EINER KIRCHE DIE
    GESCHICHTE VOM WEGWERFGELD ERZÄHLT. LÄSST UNS
    WIEDER BEI PANTALONE ESSEN UND TIMM SPÄTER DIE
    GESCHICHTE VOM WEGWERFZELT UND DIE VERSE VOM

WEGWERFMENSCHEN VORTRAGEN.

    Timm Thaler und ich standen vor einem Bild. Timm hatte mich in meinem Hotel abgeholt. Dann waren wir durch
    Venedigs Gassengewirr bis zu den Galerien der Akademie geschlendert, die der nahen Brücke über den Canal Grande den Namen gegeben hat, und nun standen wir hier vor einem Bild und freuten uns daran.
    Das Bild heißt »Die Ankunft der Botschafter«, sein Maler heißt Carpaccio. Er malte es im fünfzehnten Jahrhundert.
    Geschildert wird, wie Botschafter im Hafen von Venedig ankommen und hier vom Dogen, dem Oberhaupt der
    Republik, empfangen werden. Man sieht hinten in der Mitte des Bildes einen achteckigen Bau mit einer runden Kuppel, auf der es eine kleinere zweite Kuppel gibt. Links des Gebäudes sieht man ein Stück Hafen, darin ein Segelschiff mit eingerolltem Segel, dahinter mit gebauschtem Segel ein kleineres Boot. Auf der Mole davor flattert an einem Mast ein vierzipfliger roter Wimpel, Leute promenieren auf und ab, und ein Hund beschnuppert einen Zwerg in rotem Wams. Vorn aber, hinter einem Eisengitter, stehen reichgekleidete Herren, die Botschafter, gekleidet in Rot und Gold, meist mit langen, im Nacken eingerollten Haaren, und rechts thront, eine Krone auf dem Kopf, der Doge von Venedig, vor dem ein Mann kniet und ihm ein Schreiben entgegenhält. Alles ist klar gemalt und deutlich zu erkennen, aber in einem Hauch von warmem Gold getaucht.
    Während wir das Bild noch schweigend betrachteten, sagte eine hohe Männerstimme hinter uns: »Was waren das für Zeiten, als man in Venedig noch die Welt empfing!« Wir drehten uns um und sahen einen langen schlaksigen Herrn mit leicht gebeugtem Rücken und einem riesigen Adamsapfel. Er hatte eine schwarze Hose und eine blankgewetzte
    braunkarierte Jacke an. Unter dem rechten Arm trug er eine dicke Aktentasche.
    »Verzeihung, daß ich laut gedacht habe«, sagte er nun.
    »Aber wenn man das strahlende Venedig von damals mit heute vergleicht…« Dann stellte er sich, die dicke Aktentasche vom rechten unter den linken Arm schiebend, vor und gab uns dabei die Hand: »Egon Siebert, Dortmunder Bank.«
    Wir stellten uns ebenfalls vor, worauf Herr Siebert ausrief:
    »Mein Gott, was man auf Reisen doch für bedeutenden Leuten begegnet! Einem Marionettendirektor und einem
    Schriftsteller! Mein

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