Timoken und der Trank der Unsterblichkeit
hervor.
„Guten Tag!“ Timokens Begrüßung klang wie eine ruhigere Version des Kamelblökens.
Das Kamel zwinkerte. „Gabar!“, schnaubte es.
„Gabar“, wiederholte Timoken. Vielleicht der Name des Kamels, dachte er.
Das Kamel zwinkerte noch einmal.
Zobayda überwand ihre Angst und betrachtete das Tier genauer. Verglichen mit einem Pferd war es wirklich hässlich.
Timoken musterte den seltsamen Sattel auf dem Höcker des Kamels. Er bestand aus Holz, war mit aufwendigen Schnitzereien verziert und sah aus wie eine flache Wiege. Darin lagen farbenfrohe, mit goldenen und silbernen Borten verzierte Kissen. Das Zaumzeug des Kamels bestand aus geflochtenem Leder, das mit goldenen Ringen und winzigen Glöckchen behängt war. Außerdem waren mehrere schwere Gepäckstücke am Sattel angebracht. Aber wo war der offensichtlich wohlhabende Besitzer des Tieres?
„Wo ist dein Herr?“, fragte Timoken das Kamel.
Das Tier schwieg.
„Ist er tot?“
Das Kamel drehte den Kopf zur Seite und glotzte ihn argwöhnisch mit einem Auge an. Timoken überlegte. Wenn eine Sandratte ihn verstehen konnte, warum nicht auch ein Kamel?
„Vielleicht können wir auf ihm reiten“, schlug Zobayda vor. „Mit diesen Hufen kann es bestimmt gut durch den Sand laufen.“
Aber wie sollten sie auf den Höcker des Kamels kommen?
Das Tier war offensichtlich nicht in der Stimmung, ihnen zu helfen. Es stieß ein lang gezogenes Blöken aus und trabte schnurstracks an den Kindern vorbei, als plötzlich eine dunkle Wolke den Himmel bedeckt e – eine Wolke, die mit jeder Sekunde wuchs, deren tosendes Brüllen die Ohren der Kinder erfüllte und die eine Sandlawine über den Wüstenboden direkt auf sie zuschob.
„Ein Sandsturm!“, rief Zobayda. „Timoken, lauf!“
Sie rannten dem Kamel hinterher, das wieder in den Galopp übergegangen war und angsterfüllt blökte. Offensichtlich war es vor dem Sturm geflohen, bevor die Kinder es vorübergehend aufgehalten hatten.
Die riesige Sandwolke hatte sie schon fast eingeholt, als das Kamel urplötzlich stehen blieb und „Hinter mich!“ schnaubte.
Timoken packte die Hand seiner Schwester und stolperte auf das Kamel zu. Als sie es erreichten, war die Luft bereits von Sand erfüllt. Keuchend warfen sie sich hinter dem großen Tier auf den Boden und das Kamel sank auf die Knie. Herumwirbelnder Sand peitschte über sie hinweg, brannte in ihren Augen, verstopfte ihre Nasen und bedeckte ihr Haar.
Timoken bemerkte, wie seine Schwester an ihrem Bündel aus Habseligkeiten herumzerrte. Kurz darauf berührte etwas Kühles und Weiches sein Gesicht und legte sich über seinen Kopf. Das Netz, dachte er erleichtert.
Zobayda hielt das Gespinst schützend über ihren Körper und stand auf. Dann legte sie ein Ende des Netzes über den Kopf des Kamels und band einen Zipfel an das Zaumzeug. Erst dann hockte sie sich wieder hin und zog das andere Ende des Netzes über sich und ihren Bruder.
„Das war mutig“, flüsterte Timoken, der noch immer kaum wagte, den Mund zu öffnen.
„Ich musste den Kopf des Kamels bedecken“, sagte sie, „sonst wäre es im Sand erstickt.“
Timoken sah zu den schimmernden Fäden über ihm auf. Der Sand prallte einfach an dem Netz ab, als wäre es aus Stahl. Wir sind in Sicherheit, dachte er erleichtert. Kurz bevor er einschlief, fiel ihm wieder ein, dass das Kamel etwas gesagt hatte.
„Das Kamel hat mit uns gesprochen“, wandte er sich an seine Schwester, „und ich habe es verstanden.“
Zobayda lächelte. „Es misstraut uns jetzt nicht mehr“, antwortete sie.
Alle drei schliefen erschöpft ein. Der Sand stürmte nur so über ihren Köpfen hinweg, doch das Mondspinnennetz beschützte sie und hielt sie warm.
Als die Kinder das Netz am nächsten Morgen hochhoben, fanden sie sich in einem Krater aus Sand wieder. Timoken erhob sich. Sein Kopf reichte gerade bis zur oberen Kante der Sandmulde.
„Ohne das Netz wären wir lebendig begraben worden“, stellte Zobayda fest. Sie raffte das Gespinst zusammen und löste den Zipfel vom Zaumzeug des Kamels.
Schnaufend und grummelnd kam das Kamel wieder auf die Beine. Die Kinder befürchteten schon, dass es sich nicht aus dem Sandloch befreien könnte, doch es setzte einfach die großen Hufe auf die schräge Wand und kletterte ohne Schwierigkeiten heraus.
„Jetzt wir“, sagte Timoken.
Die Kinder begannen nach oben zu kriechen und schoben dabei den Ziegenlederbeutel und das Kleiderbündel vor sich her. Aber die Wand aus Sand
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