Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Straßen. Er sucht nachher die Kinder aus, die ihm helfen sollen. Seinen Anordnungen ist zu gehorchen.«
Thomas zog einen Schlüssel aus der Tasche und warf ihn geschickt Ludwig Keller zu. »Kommandant Keller! Hier ist der Schlüssel zu Mariannes Wohnung. Dort im Eisschrank liegen die Ladenschlüssel. Lass sie nachher abholen und gib Marianne den Wohnungsschlüssel zurück.«
Ludwig war aufgesprungen. »Zu Befehl, Präsident!«, sagte er und steckte den Schlüssel ein.
»Setzen!«, sagte Thomas. Ludwig Keller setzte sich wieder.
Ich fand, dass Thomas seine Sache großartig machte. Thomas las weiter aus der Notbetriebsordnung vor.
»Alle Kinder haben um neun Uhr abends im Bett zu sein. Kinder unter fünf Jahren schon um sieben! Kleine Kinder, die keine älteren Geschwister haben, stehen unter der Aufsicht eines größeren Mädchens. Kinder, die Angst haben, allein in der Wohnung zu schlafen, dürfen bei Freunden übernachten. Doch müssen sie an ihrer Wohnungstür einen Zettel ankleben, auf dem draufsteht, wo sie zu finden sind. Um sechs Uhr früh wird aufgestanden!«
Ein erschrockenes Murmeln ging durch den Saal.
»Was? Schon um sechs?!«, schrie Lotte Dröhne entsetzt.
»Jawohl, um sechs!«, wiederholte Thomas mit Nachdruck. »Allgemeines Wecken durch die Sirene im Elektrizitätswerk. Der gesamte Wohnungsdienst untersteht der Kommandantin Marianne Loose.«
»Au fein!«, rief Marianne. Sie freute sich und lachte vergnügt. »Ihr persönlicher Adjutant ist Paul Brandstetter.«
»Wie?«, fragte der dicke Paul und fuhr hoch. Ich glaube, er war ein bisschen eingenickt.
»Marianne hat auch dafür zu sorgen, dass alle Kinder sich waschen und sich die Zähne putzen«, ergänzte Thomas.
»Marianne ist doch erst elf!«, kreischte die dicke Minna Pütz, die in der ersten Reihe saß.
»Marianne ist erst elf, aber immer sehr sauber!«, fuhr Thomas Minna zornig an. »Du bist dreizehn und hast schmutzige Fingernägel!«
Die Kinder lachten schallend. Die dicke Minna wurde rot und versteckte rasch ihre Hände unter dem Sitz.
»Marianne übernimmt auch die Verwaltung und Ausgabe der verfügbaren Lebensmittel. Sie ist Kommandantin in allen Ernährungsfragen.«
Der dicke Paul wurde mit einem Mal sehr munter. »Das werden wir großartig machen, Marianne, was?«, rief er ihr lachend zu.
Marianne rümpfte die Nase. »Ich werde Ihnen schon auf die Finger gucken, Herr Adjutant!«
Die Kinder lachten wieder.
»Ruhe!«, schrie Thomas. »Hier gibt’s nichts zu lachen! Es geht um die Wurst! Passt lieber auf, dass ihr nicht alles vergesst! Marianne hat ihr Amtszimmer im Rathaus, Zimmer Nummer drei. Nach der Versammlung wird sie sich ihre Helferinnen aussuchen. Ihr könnt dann gemeinsam beraten, wie ihr die Geschichte deichseln wollt.«
Mehrere Mädchen sprangen auf und riefen: »Ich! Ich! Ich!«
Thomas winkte ab. »Setzt euch! Wir gehen jetzt weiter im Text!«, sagte er. »Um neun Uhr abends werden das E-Werk und das Wasserwerk stillgelegt. Geheimrat, du sorgst dafür, dass der Betrieb um sechs Uhr Früh wieder beginnt. Wen wünschst du zum persönlichen Adjutanten?«
Ich wählte Otto Raabe. Ich wusste, dass er auch Ingenieur werden wollte. Er ist sehr geschickt. Er hat sich selber einen Roller gebastelt.
Ich stand auf. »Ich werde auch die Telefonzentrale im Postamt wieder in Schuss bringen!«, sagte ich. »Dann sparen wir viel Zeit, wenn wir uns mit den Geschäften, den Betrieben und dem Bahnhof verständigen müssen. Wir brauchen dann auch nicht so viele Kuriere!«
»Tadellos!«, sagte Thomas anerkennend.
»Ich werde Pussi Tucher und Lotte Dröhne, die beide ganz gescheit sind, zu Telefonfräulein machen«, fuhr ich fort. »Sie lösen einander ab.«
Timpetill hat neunundneunzig Anschlüsse. Die Verbindungen konnte ein Mädchen ganz gut allein herstellen.
Pussi Tucher und Lotte Dröhne waren aufgesprungen und hüpften begeistert in die Höhe. »Au ja!«, schrien sie. »Wir sind Telefonfräuleins!«
»Wir beide«, sagte Thomas zu mir, »schlagen gemeinsam unser Hauptquartier im Amtszimmer von Bürgermeister Krog auf. Du bist gleichzeitig Vizepräsident. Wir werden alle wichtigen Entscheidungen miteinander ausknobeln. Wenn eine ganz große Sache los ist, müssen die Kommandanten und ihre Adjutanten zu uns kommen. Wir beraten zusammen und berufen dann eine Versammlung aller Hauptleute und Gruppenleiter ein. Die müssen abstimmen. Dann werden die Befehle weitergegeben.«
Thomas warf einen Blick auf den Plan des
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