Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Rathauses, den wir im Pförtnerzimmer gefunden hatten. »Krogs Arbeitszimmer hat die Nummer sieben«, erklärte er den Kindern im Saal. »Jeder darf den Präsidenten oder Vizepräsidenten sprechen, wenn ihn irgendwo der Schuh drückt. Mein persönlicher Adjutant ist Heinz Himmel.«
Der kleine Heinz wurde puterrot vor Freude. »Dankeschön, Thomas!«, platzte er heraus.
Thomas nickte ihm freundlich zu. Dann sprach er wieder zu der Versammlung:
»Wenn jemand zu mir oder zum Geheimrat will, meldet er sich im Vorzimmer, Nummer sechs, bei Heinz Himmel. Punkt drei: Sämtliche Kinder unter fünf Jahren halten sich tagsüber in der Schule auf. Kommandantin der Kleinkinder-Beaufsichtigung ist Trudi Rabe. Adjutantin: Röschen Traub. Die beiden haben ihr Amtszimmer in der Direktionskanzlei von Federwischer.«
Die Kinder im Saal stimmten ein lautes Gelächter an. Sie fanden es begeisternd schön, dass Trudi und Röschen Federwischers Platz einnehmen sollten. Der Name Federwischer löste immer riesige Heiterkeit aus.
Ludwig Keller schlug auf den Gong. Die Kinder verstummten. Thomas holte tief Atem und fuhr fort:
»Alle Kinder, die Dienst tun, werden zu den Mahlzeiten abgelöst. Sie haben nach dem Essen freie Zeit bis zur nächsten Mahlzeit. Dann lösen sie wieder die andern ab. Es ist also nach jeder Mahlzeit Schichtwechsel. Die Kinder, die gerade frei haben, dürfen sich in ihren Wohnungen oder auf der Straße vor ihren Wohnungen aufhalten, damit sie jederzeit erreichbar sind. Die Mahlzeiten finden im ›Goldenen Posthorn‹ statt. Auch das Frühstück. Es wird in drei aufeinanderfolgenden Abteilungen gegessen. Um sieben Uhr früh die erste Arbeitsschicht, die sich dann auf ihre Posten begibt. Von halb acht bis acht Uhr die Kleinen, die nachher in die Schule gehen. Von acht bis halb neun die zweite Schicht. Sie hat freie Zeit bis Mittag. Um halb zwölf tritt die zweite Schicht zum Mittagessen an. Um zwölf löst sie die erste Schicht ab. Von zwölf bis halb eins werden die Kleinen von der Kommandantin und den Aufsichtsmädchen zum Essen geführt. Nach dem Essen marschieren sie in die Schule zurück. Von eins bis halb zwei futtert die erste Schicht. Sie hat Freizeit bis halb vier. Dann gibt’s Kakao. Dann ist wieder Ablösung. Inzwischen kriegen die Kleinen Kakao. Hinterher Kakao für die zweite Schicht. Freizeit bis sieben. Um halb sieben werden die Kleinen gespeist und von der Aufsicht ins Bett gebracht. Um sieben Abendbrot für die erste Schicht. Um halb acht für die zweite Schicht. Um acht geht alles nach Hause. Um neun ins Bett. Am nächsten Tag tritt die zweite Schicht als erste Schicht zur Arbeit an. Und so weiter.«
Thomas schnappte nach Luft und blickte in den Saal. »Habt ihr das verstanden?«, fragte er heiser.
»Nein!!«, schrie die ganze Versammlung einstimmig.
Thomas war etwas verdutzt. Er kratzte sich am Kopf und schwieg nachdenklich. Ich sprang in die Bresche.
»Eure Kommandanten werden euch das ganz genau erklären!«, rief ich. Die Kommandanten räusperten sich erschrocken. Sie hatten auch schon wieder die Hälfte vergessen.
»Wir können doch die Betriebsordnung am Schwarzen Brett in der Halle anschlagen!«, warf Fritz Schlüter ein.
»Sehr gut!«, sagte Thomas. »Wir werden sie abschreiben und aufhängen. Wer sich nicht zurechtfindet, kann nachsehen. Nun weiter: Alle Mädchen, die kochen können, sollen sich melden!«
Fast sämtliche Mädchen im Saal sprangen auf und zappelten mit den Armen. »Ich! Ich! Ich!«, schrien sie durcheinander.
»Ruhe!«, brüllte Thomas zurück. »Ihr meldet euch nachher im ›Goldenen Posthorn‹ bei Erna Schlüter! Sie ist Kommandantin und leitet den gesamten Betrieb im ›Goldenen Posthorn‹. Sie sucht sich ihre Hilfskräfte aus. Köchinnen, Kartoffelschälerinnen, Gemüseputzerinnen, Geschirrabwascherinnen und Kellnerinnen. Auch dieser Dienst wird in zwei Schichten eingeteilt. Marianne weist die Lebensmittel an. Sie hat genaue Listen zu führen über alles, was aus den Geschäften geholt wird. Diese Listen kriegen nachher unsere Eltern. Sie müssen bezahlen. Erna stellt gemeinsam mit Marianne den Speisezettel zusammen. Das Essen muss so einfach wie möglich sein. Delikatessen sind verboten!«
Ein Seufzen ging durch den Saal.
»Ich bekomme von meiner Mutti abends immer einen Apfel!«, rief ein ganz kleines Mädchen.
»Obst und Kakao sind erlaubt«, sagte Thomas. »Marianne hat auch dafür zu sorgen, dass keine verdorbenen Lebensmittel verwendet
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