Tims gefährlichster Gegner
setzten ihren Fluchtweg
fort. Sie achteten auf die Umgebung. Sich einzeln abzusetzen, hielten sie nicht
für nötig. Sie fuhren ein Stück mit der U-Bahn. Schließlich erreichten sie die
Petzold-Straße und betraten das Hotel Schwarzer Bock. Hier hielt man sie
für Dänen. Bei ihrer Ankunft hatten sie entsprechende Ausweise — gefälschte,
natürlich — mit Falschnamen vorgelegt.
Nummer 306, Jurijs Zimmer, wies
auf einen engen Innenhof, der zwar Tageslicht erhielt, aber nie von der Sonne
beschienen wurde. Eine einzige Topfpalme stand auf den schmutzigen
Pflastersteinen und kümmerte vor sich hin.
Sie schütteten die Beute auf
den etwas staubigen Glastisch.
»Hat sich gelohnt.« Jurij holte
eine Lupe aus dem Koffer und prüfte die Brillanten.
»Und es macht Spaß«, nickte
Algirdas.
»Wichtiger ist mir, dass
Henning den Koffer findet.«
»Dieser Armleuchter!«
»Das wäre ungerecht. Er macht
sonst sein Ding. Es war eine Verkettung blöder Umstände.«
»Der schwitzt jetzt Blut und
Wasser.« Auch Algirdas hatte sich über die Schmuckstücke gebeugt. Er schob eine
Kette mit dazu passenden Ohrringen beiseite. »Das ist für Katja.«
»Wird die sich aber freuen!«
»Man soll von einer Reise nie
mit leeren Händen zurückkehren, Jurij. Das ist seit Urzeiten so. Jede
Räuberbande — ob auf eigene Faust oder im Namen des Königs, was dann
Kreuzritter waren oder Soldaten — hatte nur Beute im Sinn. Beute jeder Art:
Juwelen und Kleinodien (Schmuck), Sklaven, Kriegsgerät, Ländereien. Da
sind wir doch vergleichsweise harmlos.«
Das Telefon klingelte. Jurij
nahm ab und meldete sich mit einem »Ja?«.
»Ich bin’s«, sagte Henning.
»Ich stehe vor dem Hotel. Kann ich hochkommen zu euch?«
»Okay. Zimmer 306.«
Wenig später klopfte es und
Algirdas ließ Henning ein. Der wirkte einigermaßen selbstzufrieden, allerdings
nicht wie der totale Triumph.
»Ich habe einen Hinweis«,
verkündete er, »den Anfang einer Spur. Aber jetzt brauche ich Unterstützung.
Die Sache ist nämlich die...«
Er berichtete von Danielas Info
und seiner vergeblichen Nachforschung im Dresscode.
»Die Geschäftsinhaberin war
bockbeinig«, erklärte er. »Ich hatte gleich das Gefühl, sie könne sich sehr
wohl an den Kunden erinnern. Den Kunden, der meinen Caldo-Versatscho-Anzug
gekauft hat. Aber sie blieb stur dabei, sie wisse es nicht mehr. Himmel, so was
ist ja schließlich kein Beichtgeheimnis oder ärztliche Schweigepflicht.
Trotzdem — die blöde Kuh hat’s einfach nicht rausgelassen. Doch dann, Freunde,
hat mir meine Hartnäckigkeit geholfen. Weil ich nicht gleich abgezogen, sondern
dort in der Nähe geblieben bin. Nebenan ist nämlich ein Kaffeeausschank. Ich
steh also dort an ’nem Stehtisch und schlürfe einen großen Cappuccino — da
tauchen zwei Jugendliche auf und quatschen mit der Tochter der Geschäftsfrau,
wobei mich die Tochter nicht bemerkt, weil sie mir den Rücken zukehrt. Und zwar
über meinen Anzug quatschen sie. Ja, genau über den! Ein abgefuckter Typ wäre
eben da gewesen und hätte sich unverschämt aufgeführt. Mich hat sie damit
gemeint. Aber ihre Mutter hätte nichts preisgegeben. Denn wohin käme man denn
da. Aber — und jetzt kommt’s, Freunde — sie weiß genau, wer den Anzug gekauft
hat. Nämlich ein gewisser Krummi. Was sicherlich ein Spitzname ist. Auch das
Pärchen wusste sofort, wer mit Krummi gemeint ist.«
»Welches Pärchen?«, fragte
Jurij. »Die Jugendlichen?«
Henning nickte. »Ein
bildschönes Mädchen so von 14 ungefähr. Blond mit blauen Augen. Der Bengel kann
16 oder 17 sein, ein stabiler Typ mit dunklen Locken und ’nem großen T auf
seinem gelben Shirt.«
»He!«, meinte Jurij überrascht.
»Trägt er eine Baseballmütze mit dem Schild nach hinten?«
»Ja. Genau.«
»Die beiden«, wunderte sich
Algirdas, »haben wir doch zusammen mit dem Juwelier eingeschlossen.«
Jurij nickte. »Die haben sich
verdammt schnell befreit. Und sind natürlich gleich los, um nach uns zu
suchen.«
»Ach, ihr kennt die?«, staunte
Henning.
»Sie gehören zum
Kollateralschaden ( Schaden, der nebenbei entsteht, zusätzlich zum
Hauptschaden). Dem Bengel habe ich ein Loch in die Hose geschossen. Er war
ein bisschen zu frech.«
»Dann kann’s nicht der sein,
den ich gesehen habe«, sagte Henning. »Der war nicht verletzt.«
»Wer redet von Verletzung?! Ich
habe nur sein Hosenbein durchlöchert. Aber der Bursche blieb cool, als hätte er
schon Schlimmeres erlebt. Wahrscheinlich gibt er an vor
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