Tina und Tini 02 - Tina und Tini stehen vor neuen Raetseln
. Nach einem erfrischenden Bad im Fluß schleckten sie selbstgemachtes Eis (genauer gesagt: Suppenteller voller Eiscreme mit Kirschkompott) auf den Treppenstufen der Veranda.
„Ja, fast zu glatt“, bestätigte Tini. „Ich habe die ganze Zeit gezittert vor Angst, einer der Bewacher könnte uns entdecken.“
„Kit hat uns mächtig geholfen mit seinem Krach. Aber was ist, wenn sie ihn im Haus einsperren und er heute nacht nicht kommt?“
„Warten wir ab. Hauptsache, wir verschlafen nicht — und Mutti merkt nichts.“
„Gehen wir durchs Haus oder aus dem Fenster?“
„Aus dem Fenster ist sicherer, es geht ganz leicht. Die Treppenstufen knarren zu sehr. Komm, Tini, ich zeig dir den Weg, damit du dich im Dunkeln zurechtfindest.“
Nach dem Abendbrot sagten sie Frau Greiling sofort gute Nacht und gingen zu Bett. Dann schliefen sie ein.
Um Viertel vor zwölf klingelte Tobbis Wecker, er hatte ihn vorsichtshalber unter sein Kopfkissen gelegt. Tobbi schlich zum Zimmer der Mädchen hinüber und weckte sie. Bekleidet mit ihren ältesten Jeans und Pullis, an den Füßen Turnschuhe, um besser klettern zu können, und ausgerüstet mit zwei Taschenlampen machten sie sich auf den Weg.
Vor Tobbis Zimmer befand sich ein kleiner Balkon über der gedeckten Veranda. Von dort aus erreichte man leicht mit den Füßen einen Mauervorsprung in der Hauswand. Hier konnte man sich auf das Geländer der Veranda hinunterlassen, wenn man sich an der Regenrinne festhielt. Tini hatte dieses Kunststück vorher einmal geprobt und fand es kinderleicht. Sie als Seemannstochter war schwierigere Kletterpartien gewöhnt.
Sie schlichen über den Rasen, denn der knirschende Kies hätte Frau Greiling vielleicht doch geweckt. Erst als sie unter den schützenden Bäumen gingen, benutzten sie die mitgebrachten Taschenlampen. Keiner sprach ein Wort. Tina hatte butterweiche Knie, und Tini spürte ein leichtes Kribbeln in der Magengrube.
„ Huah !“ schrie Tina plötzlich auf.
„Pst!“ machte Tobbi wütend. „Was ist passiert?“
„Ich bin auf was Weiches getreten.“
„Menschenskind, und deswegen schreist du so? Komm weiter!“
„Eine Schnecke. Du hast eine Schnecke zertreten“, flüsterte Tini, die den Weg abgeleuchtet hatte.
„Licht abdecken!“ kommandierte Tobbi . „Ich krieche zuerst! Wenn ich in zwei Minuten nicht zurück bin, kommt ihr nach! Und vergeßt nicht: sofort Licht aus, wenn ihr drüben seid! Wir setzen uns still hin und warten auf Kit. Kein Wort, hörst du!“
„Ja doch!“ maulte Tina, die diese Extra-Ermahnung als völlig überflüssig empfand.
Tobbi robbte bereits durch den Geheimgang. Tina und Tini warteten einen Augenblick, dann krochen sie hinterher. Mit der Taschenlampe beleuchteten sie immer gerade so viel von ihrem Weg, daß sie sicher sein konnten, nicht in irgendein Ungeziefer zu fassen, etwas, wovor sich vor allem Tina schrecklich graulte. Als sie auf der anderen Seite waren, wurden sie von Tobbi gepackt und zur Seite gezogen.
„Folgt mir“, flüsterte er fast unhörbar.
Er leitete sie an den Weißdornbüschen vorbei bis auf den Weg. Dort drückte er sie auf den Boden, zum Zeichen, daß sie hier warten sollten.
Da saßen sie nun in stockfinsterer Nacht auf einem fremden Grundstück. Waren sie bisher so mit sich selbst beschäftigt gewesen, daß ihnen das Unheimliche der Situation gar nicht bewußt geworden war, so begannen jetzt, da sie hier schweigend im Dunklen hockten und warteten, die Gedanken Purzelbaum zu schlagen. Wenn nun Kit gar nicht kam? Wenn er sie in eine Falle gelockt hatte? Wenn er — unter Druck gesetzt — seinem Bewacher alles verraten hatte, und der lauerte nun ganz in der Nähe im Gebüsch, um sich auf sie zu stürzen?
Die Nacht, die noch vor kurzem so still gewesen war, daß sie bei jedem Schritt fürchteten, sich zu verraten, bekam plötzlich hundert Stimmen. Nachtvogelschreie, knacksende Zweige — huschte da eine Ratte? Ringelte sich dort nicht eine Schlange vom Baum? Was schnatterte da so grausig?
„Halt, wer da?“ rief Tobbi gepreßt, als er die Spannung nicht mehr aushielt.
„Das waren nur meine Zähne“, sagte Tina dumpf.
„Reiß dich zusammen!“ fauchte Tobbi .
„Seht mal da...“, flüsterte Tini atemlos. Das feuerrote Auge eines Ungeheuers schwebte auf sie zu.
„M-m-m-meinst du, er kommt noch?“ fragte Tina bibbernd. „Sollten wir nicht lieber...“
Aber da kam eine Stimme aus der Richtung, in der eben noch das rote Licht auf sie zugewandert war:
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