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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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Carolines Eltern sein und durfte ihn im Dienst doch nicht behindern. Angesichts des Wetters wäre ein weißer Leinenanzug gerade recht gekommen, doch mit einem solchen Gewand fiel man zwangsläufig an jeder Ecke auf. Und da immerhin die Möglichkeit bestand, dass er den Verdächtigen just heute beschatten musste, so war eine solche Wahl ausgeschlossen. Stattdessen empfahl sich etwas Unscheinbares, Graues, bestenfalls ein schwarzer Anzug, wie ihn auch an diesem Tage die halbe Stadt tragen würde, und sei es auch nur aus Mangel an Alternativen. Bronstein entschloss sich also zu einer schwarzen Stoffhose, dazu nahm er ein weißes Leinenhemd samt schwarzem Gilet und legte darüber einen gleichfalls schwarzen Rock über. Als einzigen farbigen Kontrapunkt gönnte er sich die goldene Uhrkette, die er von seinem Vater aus Anlass der Promotion erhalten hatte. Schließlich schlüpfte er in seine bequemen Budapester und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Marie Caroline blickte auf. Sie wirkte erschrocken.
    „So willst du zu meinen Eltern gehen?“
    Bronstein sah an sich hinab und dann Marie Caroline ins Gesicht: „Ich wüsste nicht, was daran falsch sein sollte?“
    „Da kannst du dich ja gleich an die Sirk-Ecke stellen und einen Hut zu deinen Füßen hinlegen.“
    Sie erntete ein ungläubiges Kopfschütteln: „Der Anzug ist dochbitteschön ganz in Ordnung. Was hast du denn an dem auszusetzen?“
    „Ich bitte dich, der sieht aus, als wäre er schon zweimal gewendet worden. Mit dem kannst du dich vielleicht unter deinesgleichen bewegen, aber doch nicht in Gesellschaft.“
    „In Gesellschaft“, echote Bronstein. „Erwarten deine Eltern noch andere Gäste?“
    „Das nicht, aber …“
    „Na eben, dann passt doch alles“, schnitt er ihr das Wort ab, „Deine Eltern kennen mich und wissen um meine Garderobe. Sie werden verstehen, dass mich meine dienstlichen Obliegenheiten dazu zwingen, heute eher unscheinbar auszusehen.“
    „Genau. Unscheinbar. Wie der kleine Beamte, der du bist.“
    Der mit spitzem Ton vorgetragene Tadel traf Bronstein ins Mark. „Soll ich dich also nicht begleiten?“, fragte er mit schneidender Stimme.
    Marie Caroline fühlte wohl, dass sie zu weit gegangen war. „Wenn du dich schon unbedingt so kostümieren musst, dann kannst du den Anzug ja in einem Köfferchen mit zu meinen Eltern nehmen und dich dort dann umkleiden. Und ich bringe dir die schöne Garderobe im Anschluss wieder hierher zurück.“ Dabei bemühte sie sich um einen lockenden Gesichtsausdruck.
    Der aber verfing nicht. Bronstein war verletzt. Vor allem aber war er ihrer Launen überdrüssig. „Madame“, sagte er mit Kasernenhofschnarren, „so oder gar nicht.“
    „Aber David …“ Auf Marie Carolines Antlitz zeichnete sich grenzenlose Verwunderung ab. „So kenne ich dich ja gar nicht. Was ist denn in dich …“
    „Dann wird es Zeit, dass du mich kennenlernst. Es mag sein, dass ich derzeit nur ein kleiner Beamter bin, wie du dich so formschön ausgedrückt hast. Aber ich bin immerhin Absolvent der Alma Mater Rudolfina und Offizier der kaiserlichen Polizeigewalt in der Reichs- und Residenzstadt Wien. Also bitte ich mir gefälligst den nötigen Respekt aus. Haben wir uns verstanden?“ Wie um seine Worte zu unterstreichen, stützte Bronstein seine Hände in die Hüften und verengte seine Augen zu einem wütenden Blick.
    Marie Caroline brauchte einen Moment, um sich zu fangen. Dann zuckte sie mit den Schultern. „Bitte, wenn du mich vor meinen Eltern blamieren willst. Dann gehen wir halt in dieser Räuberaufmachung.“
    „Deine Eltern sind nicht blöde“, blaffte Bronstein, „die werden das verstehen. Was du auch endlich einmal tun solltest. Und willst du, dass das Verbrechen in der Stadt obsiegt? Dann geht es zuerst einmal euch an den Kragen!“
    Erschrocken wandte sich Marie Caroline um. „Wieso denn uns?“, fragte sie ehrlich erstaunt.
    „Na, glaubst du, bei den armen Schluckern ist etwas zu holen? Nein, die Verbrecher suchen sich ihre Opfer immer unter den Reichen und Schönen.“
    Instinktiv fuhr sich Marie Caroline mit der rechten Hand an ihre Frisur und legte sich eine kokette Miene zu: „Na wenigstens gibst du zu, dass ich reich und schön bin.“ Gegen seinen Willen musste Bronstein grinsen.
    „Gemma, in Gottes Namen, sonst kommen wir zu spät auch noch. Und das wäre wirklich blamabel.“
    Zwanzig Minuten später hielt die Mietdroschke vor dem Haus Nummer 6 in der Wohllebengasse. Bronstein zahlte den nicht gerade

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