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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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Restante-Schalter, ohne dass sie jemand behoben hätte. War es da nicht wesentlich wahrscheinlicher, dass sie irgendwann vermodern würden? Und abermals seufzte Bronstein.
    „Doch eine Geschichte?“
    „Nein“, sagte Bronstein bestimmt, „ich geh einmal brunzen.“
    Er stand auf, ging quer durch das Zimmer, öffnete die Tür und wandte sich nach rechts. Am Ende des Ganges deutete eine dezente Doppelnull darauf hin, dass man sich im dahinter befindlichen Raum erleichtern konnte. Bronstein trat ein, stellte sich an die Pissrinne und holte sein Glied hervor. Wenigstens etwas, das klaglos funktionierte, dachte er.
    Nachdem er sein Geschlechtsorgan wieder verstaut hatte, wusch er sich die Hände, steckte sich dann eine Zigarette an und schlenderte gemächlich zurück in den Wachraum. Dort fiel ihm als Erstes Pokornys schreckensstarres Gesicht auf. „ Was is?“, fragte er mit aufsteigender Panik.
    „I glaub, es hat g’läutet“, stammelte Pokorny.
    „Du glaubst?“ Bronstein war nahe daran, Pokorny an den Schultern zu packen und zu rütteln. Da warteten sie seit Wochen auf das entscheidende Signal, und sein Mitarbeiter war sich nicht sicher.
    „Doch, doch. Es hat g’läutet. Mehrmals sogar“, sagte dieser schließlich.
    „Na worauf warten wir dann?“, schrie Bronstein, Pokornys Replik „Auf dich!“ ignorierend. Er schnappte diesen und stürzte aus dem Zimmer.
    Die Gänge erwiesen sich als erschreckend verwinkelt, und bald musste sich Bronstein eingestehen, dass sie sich in dem weitläufigen Gebäude verirrt hatten. Er unterdrückte einen Fluch und deutete in die Richtung, in der er den Ausgang vermutete. „Weißt was, Pokorny, so wird das nix. Wir gehen einfach nach draußen und beim Haupteingang wieder rein. Das geht sicher viel schneller.“
    Pokorny nickte nur.
    Wenige Augenblicke später standen sie am Fleischmarkt und wandten sich nach links zur Postgasse. Der Restante-Schalter befand sich, wie sie wussten, am äußersten Ende des Gebäudekomplexes, genau gegenüber der Dominikanerkirche. Hektisch zog Bronstein seine Taschenuhr heraus und warf einen eiligen Blick darauf. Seit dem Läuten waren sicher fünf, sechs Minuten vergangen. Wie lange mochte es dauern, einer Partei zwei Briefe, die dort postlagernd auf sie warteten, auszuhändigen? Selbst wenn sich der Postbeamte alle Zeit der Welt ließ, würde er spätestens jetzt seine Arbeit beendet haben. Bronstein ließ Pokorny, der ihm schnaufend nachjagte, einfach stehen und hastete mit Riesenschritten auf die Eingangstür zur Abteilung zu. Schon die erste Umschau signalisierte ihm seine Niederlage. In dem Raum war weiter niemand zu sehen außer dem Bediensteten, der Bronstein mit einem resignierenden Achselzucken empfing.
    „I hob ma Zeit lassen wia nur was“, begann der Mann, „jeder Schneck mit an Lungenpatschen hätt mi locker abg’hängt. Aber Sie san leider afoch ned kumma. Jetzt hob i’s eam geben müssen. Des verstehen S’ doch, oder?“
    Bronstein, der versuchte, sein rasselndes Keuchen unter Kontrolle zu bekommen, nickte nur. „Wie … hat … er … ausg’schaut?“, brachte er mit Mühe hervor.
    „Jo mei. Recht stattlich eigentlich. Einen Schnurrbart hat er g’habt. Also wahrscheinlich immer noch.“ Dabei entkam dem Beamten ein Grinser. Doch sofort wurde er wieder sachlich. „Grad is er rausgangen. Is nu ka Minuten her.“
    So knapp? In Bronstein kam neuerlich Bewegung. Er drehte wortlos um und lief er erneut los, dabei beinahe Pokorny umrennend, der endlich ebenfalls am Schalter angelangt war. „Kumm!“, schrie Bronstein nur und sah zu, dass er wieder auf die Straße kam. Tatsächlich erkannte er in etwa zwanzig Meter Entfernung eine Person, auf welche die vage Beschreibung des Postlers passte und die eben einen Wagen bestieg, dessen Motor lief. Bronstein kniff die Augen zusammen und memorierte das Kennzeichen. „Verdammt!“, entfuhr es ihm. „Eine Mietdroschke!“
    In der Zwischenzeit hatte Pokorny wieder zu Bronstein aufgeschlossen und sah mit diesem dem abfahrenden Wagen nach. Weit und breit war kein anderes Automobil zu sehen, an eine Verfolgung war also nicht zu denken. Bronstein fluchte und trat mit dem rechten Fuß gegen einen Laternenpfahl. „So a Schas.“
    „Halb so wild“, bemühte sich Pokorny um Begütigung. „Spätestens am Revier können wir den Fahrer ausforschen, und der sagt uns dann, woher er gekommen ist und wohin die Fahrt gegangen ist.“
    In Bronstein stieg Zorn auf: „Pokorny! Bist du so blöd

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