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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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Achtel.
    „Na ja“, tönte nun wieder Pollaks Stimme an sein Ohr, „da kann man vorerst wohl nichts machen. Aber halb so wild, Redl, halb so wild. Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Wirst sehen, der Gayer lässt dich net verkommen.“
    ,Nicht entkommen‘ wäre passender, dachte Bronstein.
    Redl schien Pollaks Rede nicht zu trösten. Er rutschte unruhig auf seinem Sessel hin und her, fasste sich immer wieder an den Kopf und sah sich in unregelmäßigen Abständen im Lokal um. Bronstein hatte Mühe, sich so bedeckt zu halten, dass Redl ihn nicht ausmachte. Als er eben ein drittes Achtel ordern wollte, hörte er Pollak „Zahlen!“ rufen. Bronstein gab also keine weitere Bestellung auf, sondern dem Kellner die erforderliche Summe für die bisherige Konsumation. Dann wartete er, bis die beiden Männer aufgestanden waren, und heftete sich abermals an ihre Fersen.
    Vor dem Lokal ließ er sich ein Automobil kommen und hoffte dabei inständig, er würde Redl und Pollak wegen ihres Vorsprungs nicht aus den Augen verlieren. Doch in der Josefstadt herrschte an einem Samstagabend kein Mangel an Mietautomobilen, und so saß Bronstein wenige Augenblicke später erneut im Fond eines Wagens. Zufrieden stellte er fest, dass sich Pollaks Auto in Sichtweite befand, und konstatierte beiläufig, dass er wohl noch nie so oft ein Automobil benutzt hatte wie an diesem Tag. Daran, so dachte er, könnte er sich gewöhnen.
    Die genommene Route ließ ihn bald erahnen, wohin die Fahrt diesmal gehen würde. Die Welt war offensichtlich klein. Oder, genauer gesagt, die Menschen machten sich ihre Welt klein. Jeder verkehrte trotz der unüberschaubaren Vielzahl an Gaststätten doch immer wieder in denselben Lokalen. Das galt offenbar auch für Redl, denn bald wurde das Café Kaiserhof sichtbar, in dem sich Redls Spur nur wenige Stunden zuvor beinahe verloren hätte. Es war schier grotesk, dass sich der Mann jetzt just wieder dorthin begab.
    Aber vielleicht wusste Redl bereits, dass er verloren war, und wollte seine Stammlokale ein letztes Mal aufsuchen, ehe ihn die Pforten der Hölle verschlangen. Ein Einspänner als Henkersmahlzeit – auch eine Art. Bronstein überlegte, ob er neuerlich im Präsidium anläuten sollte, doch kam er zu dem Schluss, dass ein derartiges Vorgehen vorderhand nicht nötig war. Dem Gayer war wohl rechtschaffen egal, wo sich Redl aufhielt, solange nur jederzeit ein Zugriff erfolgen konnte. Das Gespräch, das die beiden nun führten, schien recht unergiebig zu sein. Redl saß nur noch da, den Kopf in die Hände gestützt, und schwieg, während andererseits nun auch Pollak immer einsilbiger wurde. Pollak dämpfte schließlich seine Zigarre aus, bestellte noch zwei Klare und verlangte dabei gleich nach der Rechnung. Eine Viertelstunde später standen die beiden auf.
    „Soll ich dich noch heimfahren?“, hörte Bronstein den Staatsanwalt fragen. Redl entgegnete etwas, das Bronstein als Zustimmung wertete. „Heim“, das konnte nur das Klomser meinen, weshalb er abermals einen Mietwagen würde nehmen müssen. Bronstein schielte in sein Portemonnaie, ob er sich eine neuerliche Fahrt würde leisten können, denn allmählich war seine Barschaft beträchtlich geschrumpft, und dem Chauffeur würde es leidlich egal sein, dass Bronstein sein Gefährt nur aus dienstlichen Gründen benutzte, er würde auf sofortiger Bezahlung bestehen. Mit einer gewissen Erleichterung registrierte Bronstein, dass diese eine Fahrt noch finanzierbar war. Aber es stand zu hoffen, dass Redl dann wirklich im Hotel blieb. Und außerdem war es zu wünschen, dass die Amtskasse sich nicht wieder ewig mit der Refundierung der Auslagen Zeit lassen würde, sonst musste sich Bronstein einen Monat lang von Wasser und Brot ernähren.
    Am Standplatz befanden sich genügend Wagen, auch der Wasserer vom Nachmittag war noch da und nickte Bronstein verschwörerisch zu, da er offensichtlich Redl als den Verdächtigen wiedererkannt hatte, nach dem er zuvor befragt worden war. „Immer noch hinter dem Lauser her!“, raunte er, doch Bronstein stand der Sinn nicht nach einem solchen Schwätzchen, und so drückte er dem Mann eilig ein paar Kreuzer in die Hand, ehe er dem Fahrer die gewünschte Adresse nannte. Im Hotel angekommen, ließ er sich neuerlich den Telefonapparat aushändigen und erstattete Gayer Bericht.
    „Wir sind jetzt wieder im Hotel. Soll ich weiter dableiben?“
    „Selbstverständlich. Sie bleiben, bis Sie abgelöst werden.“
    „Sehr

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