Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
Vom Netzwerk:
wohl, Herr Regierungsrat.“
    Damit war das Telefonat auch schon wieder beendet. Bronstein setzte sich schwerfällig in einen der Fauteuils in der Lobby und atmete aus. Was war das bislang für ein Tag gewesen! Und er war sichtlich noch nicht zu Ende, obwohl es schon hart an Mitternacht ging. Mit Sorge registrierte er, dass er nur noch zwei Zigaretten hatte, und so fragte er den Portier, ob dieser Rauchwerk übrig habe. Die Marke, die ihm dieser aushändigte, sagte Bronstein zwar nicht zu, aber in der Not fraß bekanntlich sogar der Teufel Fliegen. Er steckte sich die vorletzte Egyptische an und beschloss, sich die allerletzte für den Heimweg aufzuheben. Dazwischen musste es mit der Ersatzlösung gehen.
    Schlag Mitternacht stellte Bronstein fest, dass er ein wenig gedöst hatte. Doch der Lärm, der von der Eingangspforte des Hotels kam, ließ ihn sofort wieder hellwach werden. Neugierig musterte er die vier Besucher. Es konnte kein Zweifel bestehen, diese Männer waren wegen Redl gekommen. Alle vier trugen Uniform. Vorneweg ging ein General, flankiert von einem Major und einem Hauptmann. Hinter den dreien schritt ein Oberst, den Bronstein von Bildern her kannte. Oberst Urbanski vom Generalstab, der in die Familie Reininghaus eingeheiratet hatte. Auch die anderen drei Männer trugen die Generalstabsinsignien. Für Redl war das jüngste Gericht gekommen.
    Das warf nun nur noch die Frage auf, was das Erscheinen dieses Kommandos für Bronstein bedeutete. Er erhob sich und ging auf die Offiziere zu. „Guten Abend, Oberkommissär Bronstein von der Wiener Polizei. Ich bin abkommandiert, den Herrn Obersten Redl zu überwachen.“
    Der General, der es nicht der Mühe wert fand, seinen Namen zu nennen, schickte seinem Gegenüber ein kurzes Lächeln, das Mitleid ebenso wie einen Hauch von Verachtung inkludierte. Mit tonloser Stimme erklärte er: „Für Sie ist die Sache erledigt. Von jetzt an übernehmen wir. Der Fall hat Sie nicht mehr zu bekümmern.“
    Bronstein nahm unwillkürlich Haltung an. „Sehr wohl. Aber Sie werden verstehen, meine Herren, dass ich mit dem Herrn Regierungsrat Gayer Rücksprache halten muss. Ich gehe davon aus, dass er informiert sein will.“
    „Tun Sie, was Sie nicht lassen können“, meinte der Hauptmann im Vorübergehen, und Bronstein registrierte mit nicht geringer Verwunderung, dass seine Äußerung den Militärs vollkommen gleichgültig gewesen war. Für sie existierte er bereits nicht mehr. Bronstein sah ihnen nach und konnte so den Portier beobachten, der offenbar sein Revier verteidigen wollte. „Besuche auf den Zimmern sind nicht gestattet, die Herren.“
    „Wir sind kein Besuch, wir sind eine Kommission“, erklärte der Major kurz angebunden. „Geben S’ uns den Schlüssel zum Zimmer vom Redl. Aber flott.“
    „Tut mir leid, Herr Major, das darf ich nicht“, blieb der Rezeptionist standhaft.
    „Was Sie dürfen und was nicht, das bestimmen wir. Also her damit. Sonst kracht’s.“
    „A wos“, ließ der General verlauten, „wos brauch ma den Kasperl? Gemma!“
    Bronstein fühlte, dass der Fall eine entscheidende Wendung nahm, und beschloss, den Anruf bei Gayer zu verschieben. Kurzerhand folgte er den Offizieren in den ersten Stock. Die nahmen weiter keine Notiz von ihm, sondern klopften stattdessen an die Tür des Zimmers mit der Nummer 1.
    Redls „Herein!“ war wohl selbst für die Offiziere kaum zu vernehmen, Bronstein jedenfalls hörte es nicht. Aber er musste es gesagt haben, denn der Major öffnete die Tür und bot dem General den Vortritt. Bronstein machte schnell ein paar Schritte auf das Zimmer zu und konnte so gerade noch die erste Äußerung Redls verstehen: „Ich weiß, weshalb die Herren kommen. Ich habe mein Leben verwirkt und bin eben im Begriffe, Abschiedsbriefe zu schreiben.“
    Bronstein pfiff leise durch die Zähne. Damit hatte er nun trotz allem nicht gerechnet. Offensichtlich wurde die Sache nun zu einer Art militärischen Ehrenhandels. Bronstein ließ alle Vorsicht fahren und drückte sein Ohr an das Türholz. Natürlich kannte er den alten Spruch vom Lauscher an der Wand, doch war er der Ansicht, als ermittelnder Beamter hatte er ein Recht darauf, zu erfahren, was sich im Inneren dieses Zimmers zutrug. Aber die Polsterung der Tür schien ziemlich dick geraten zu sein, denn auch bei größter Anstrengung konnte er nur einzelne Wortfetzen verstehen. Er war sich ziemlich sicher, dass Redl gerade erklärte, keine Komplizen gehabt zu haben.
    Dann sagte

Weitere Kostenlose Bücher