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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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ihn offensichtlich schockierten. Ob Redl dem Staatsanwalt gegenüber ein Geständnis ablegte? Bronstein legte seine linke Hand an sein Ohr und beugte sich noch eine Spur nach vorn. Dennoch drangen nur einzelne Wortfetzen Redls zu ihm durch. Verfehlungen? Von welchen Verfehlungen sprach er da? Von jenen, die Bronstein gerade erst aufgedeckt hatte, oder gab es noch mehr Verwerfliches im Leben dieses Mannes? Schweres Verbrechen? Ja, das konnte man wohl sagen! Aber es war wohl ausgeschlossen, dass Redl da wirklich von seiner Spionage redete, denn sonst wäre Pollak wohl längst aufgesprungen und zurückgewichen wie vor einem Aussätzigen. Nein, Redl musste etwas anderes meinen. Wenn er doch nur besser zu verstehen wäre.
    „Und du willst, dass ich dir da helf?“
    Das war jetzt Pollak gewesen.
    „Beim Korpskommando in Prag?“
    Prag? Was sollte Prag mit der ganzen Angelegenheit zu tun haben? Bronstein war verwirrt.
    „Na, du musst wissen, was du tust.“ Pollaks letzter Satz war besonders gut zu verstehen gewesen, weil der Staatsanwalt aufgestanden war. Er legte die Serviette auf den Tisch und erkundigte sich bei einem Kellner, wo er telefonieren könne. Bronstein war sich nicht sicher, an wessen Fersen er sich nun heften sollte. Eigentlich war Redl der Hauptverdächtige, doch es mochte nicht uninteressant sein, zu erfahren, wen der Generalprokurator nun anrief. Bronstein winkte einen Vertreter des Servierpersonals zu sich.
    „Gibt es noch einen anderen Ausgang als den auf die Straße?“
    „Ja. Durch die Küche. Aber der ist Betriebsfremden verboten.“
    „Gut. Wo finde ich ein Telefon?“
    Der Restaurantangestellte wies in die Richtung, in die eben auch Pollak verschwunden war. Bronstein überzeugte sich noch einmal davon, dass Redl auf seinem Platz geblieben war, und ging dann den angezeigten Weg. Er ließ sich mit Gayer verbinden.
    „Tut mir leid. Da ist besetzt“, klärte ihn das Fräulein vom Amt auf. Bronstein versagte sich einen Fluch. Neben ihm hörte er Pollak reden.
    „Der Herr Oberst Redl hat anscheinend eine psychische Störung erlitten. Er spricht von moralischen Verfehlungen und sogar von Verbrechen, die er angeblich begangen hat. Und jetzt bittet er mich, ich soll ihm die ungestörte Fahrt nach Prag ermöglichen. Vielleicht könnten Sie ihm Begleitschutz mitgeben?“
    Daher wehte also der Wind. Der Redl machte auf geisteskrank. Nun, das würde ihn auch nicht mehr retten. Die Monarchie hängte sogar absolute Idioten und Schwachsinnige auf, da würde man auch mit einem Neurastheniker kein Pardon kennen. Aber mit wem konnte Pollak da telefonieren? Begleitschutz? War da am anderen Ende der Leitung der Generalstab? Das Oberkommando? Irgendetwas Militärisches jedenfalls. Und offensichtlich eine Stelle, die sich nicht sonderlich um die Angelegenheit zu kümmern wünschte, stellte Bronstein fest, nachdem Pollak ein „Und mehr können wir nicht tun“ in den Raum geschickt hatte. „Na gut“, fuhr der Staatsanwalt nebenan fort, „ich werd’s ihm bestellen. Vielen Dank auf jeden Fall, und noch einmal Entschuldigung für die Störung.“
    Bronstein hatte genug gehört und ersuchte noch einmal um eine Verbindung. Diesmal kam sie klaglos zustande.
    „Gayer!“
    „Herr Regierungsrat. Oberkommissär Bronstein hier. Der Redl sitzt mit dem …“
    „Pollak im Riedhof. Ich weiß, er hat mich grad ang’rufen.“ Deswegen war also besetzt gewesen.
    „Das heißt, er hat Sie, Herr Regierungsrat, um Begleitschutz ersucht?“
    „Exakt. Aber da kann er lange warten, der Lump. Also der Redl, nicht der Herr Staatsanwalt. Der ist, glaube ich, noch gar nicht im Bilde darüber, mit wem er da an einem Tisch sitzt, der Arme. Wie auch immer, lassen S’ mir den Redl keinen Moment mehr aus den Augen. Der hat sein Leben verwirkt, das sage ich Ihnen. Wir stehen gerade in Verhandlung mit dem Generalstab, wie wir weiter verfahren. Sie, Bronstein, erstatten mir weiterhin bei jeder Änderung der Lage Bericht. Ist das klar?“
    „Vollkommen, Herr Regierungsrat.“
    „Alsdern. Wiederhör’n.“
    „Auf Wiederhören, Herr Regierungsrat.“
    Bronstein sah zu, dass er ungesehen wieder an seinen Tisch kam. Der Pollak saß mittlerweile erneut an seinem Platz und schien auf Redl begütigend einzureden. Der wirkte nur noch nervöser und fahriger. Er stieß sogar sein Glas um, was einen Kellner dazu veranlasste, spornstreichs einzuschreiten und den Schaden zu beheben. Bronstein nutzte die Gelegenheit und bestellte sich ein weiteres

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