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Tintorettos Engel

Titel: Tintorettos Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melania G. Mazzucco
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stets befolgt. Aber dieses Kind sei von mir, und sie würde es behalten, selbst wenn ich sie noch im selben Augenblick verlassen würde.«So schlecht kennst du deinen Freund», antwortete ich ihr verbittert. Um alles in der Welt hätte Cornelia ihr Kind behalten können, selbst wenn es nicht meins gewesen wäre. Cornelia fiel im Sand auf die Knie und schluchzte wie ein kleines Mädchen, das sie nicht mehr war. Sie war über dreißig. Ich sah sie zum ersten Mal weinen.
    Während sie entband, saß ich im Vorzimmer und litt wie ein geprügelter Hund. Ihre Schreie gingen mir durch Mark und Bein.
Christina, ihre Freundin, war bei mir. Sie meinte, ich würde mich schon noch daran gewöhnen. Beim ersten Kind sei es, als schlage man sich einen Nagel ins Herz. Den könne man sich nie wieder herausziehen, ohne ein Loch zu hinterlassen, an dem man verbluten würde. Dieser Nagel werde mein Leben verändern.«Hoffentlich nicht», sagte ich scherzhaft.«Mein Leben fängt gerade an, mir zu gefallen.»Endlich folgte auf Cornelias lautes Stöhnen ein schriller Ton - hell wie eine Glocke. Als ich zu ihr ging, schüttelte sie den Kopf, als wollte sie mir etwas Unschönes mitteilen.«Es ist ein Mädchen, Jacomo», erklärte sie,«es tut mir so leid.»Ich lachte und schwor ihr hastig, dass ich nicht nur nicht enttäuscht, sondern geradezu glücklich sei. Ihre Tochter würde groß und stark wie ihre Mutter werden.«Verstehst du nicht?», entgegnete Cornelia,«mir tut es ihretwegen leid.»
    An jenem Tag ging ich in die Kirche, um zu beichten. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich dies zuletzt getan hatte. Dem Priester sagte ich, dass ich zwar gesündigt hätte, meine Tochter aber keine Schuld treffe. Daher wolle ich sie taufen lassen und anerkennen - das hieß, ihr meinen Namen geben.«Sie ist Tochter der Unzucht, nicht des Gesetzes, Maestro», entgegnete er.«Du kannst sie anerkennen, wenn du glaubst, doch du musst wissen, dass sie niemals Rechte besitzen wird, wenn du nicht ihre Mutter heiratest.»«Welche Rechte?», fragte ich.«Dein Erbe», erklärte mir der Pfarrer gutmütig.«Das wird sie bekommen», erwiderte ich. Nur dass das Erbe meiner Tochter kein schmutziger Haufen Dukaten sein wird.
    Cornelia wollte sie nicht taufen lassen.«Ich bin nicht katholisch», sagte sie.«Ich glaube nicht, dass ein Wasserspritzer meine Tochter von den Sünden erlösen kann. Wenn sie ein artiges Leben führt und gläubig ist, dann wird Gott ihr schon seine Liebe schenken.»«Aber ich bin katholisch», sagte ich,«und ich glaube daran. Ich werde sie in meiner Kirche Gott darbringen, und für sie und für mich wird es ein großartiges Fest sein.»Meine Amazone
wollte uns unser Fest nicht vorenthalten. Sie meinte aber, dass unsere Tochter, wenn sie erst einmal groß sei, von allein verstehen würde, auf welcher Seite Gott stehe.
    Ich lud meine besten Freunde zur Taufe ein. Wochenlang machten sie sich über mich lustig.«Der rasende Pinsel ist ins Stocken geraten», scherzten sie,«fast vierzig Jahre hast du gebraucht, Jacomo, um die Skizze dieses kleinen Mäuschens hinzubekommen.»«Der rasende Pinsel ist ein Schlitzohr», erwiderte ich,«haltet ihr euch nur eure losen Huren, die mit der Franzosenkrankheit verseucht sind. Ich habe eine Amazone, und jetzt sogar zwei.»
    In Wahrheit konnte ich damals nicht ahnen, was mir dieser kleine Säugling mit dem von weichem Flaum vergoldeten Köpfchen bedeuten würde. Er schaute mich mit seinen hellen Augen an, und wenn ich ihn in den Arm nahm, klammerte er mit unvorstellbarer Kraft sein Händchen um meinen kleinen Finger. Ich erinnere mich, wie ich verwundert feststellte, dass er mich, obwohl er noch gar nicht wusste, wer ich war, schon nicht mehr loslassen wollte. Cornelia nahm ihn an die Brust.«Sie beißt so fest wie ein Hund!», jammerte sie schmerzerfüllt,«dieses Kind wird uns eine Plage sein.»
    Ich nannte sie Marietta. Wie sonst? Die kleine Maria. Sie würde nicht wie die anderen Frauen werden. Sie würde etwas Besonderes sein. Ich hatte kein gewöhnliches, durchschnittliches Schicksal für sie vorgesehen. Aus ihr würde ich etwas machen. Sie war meins.
     
    Marietta wuchs heran. Und auch Faustina wuchs, die mir versprochene Braut. Meine Kinder waren beide auf ihre Weise zauberhaft. Faustina sagt noch heute, dass sie mir einen Zaubertrank zubereitet und mich verhext habe. Noch immer erzählt sie, ich hätte bei unserer ersten Verabredung an dem Magneten geleckt, den sie unter ihrer Zunge versteckt hielt.

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