Tintorettos Engel
Wolke umhüllt, gelang es, sich einen Platz an meiner Seite zu ergattern und mir auf die Nerven zu gehen.«Es sind so viele Leute hier, aber du bist immer in meiner Nähe», bemerkte sie heimtückisch,«verfolgst du mich etwa, Meister Jacomo?»
Ich musste sie loswerden, bevor es zu spät war. Ich hatte keinen Ehevertrag unterschrieben: Faustinas Vater und mir hatte ich versprochen, dass ich mich nur dann vermählen würde, wenn ich mit einem regelmäßigen und sicheren Einkommen rechnen konnte. Mit einem festen Gehalt, möglicherweise von der Republik für ein Amt von Dauer. Ansonsten unterliegt das Leben eines Malers zu sehr den Launen des Glücks, als dass er sich die Last einer Familie auf bürden kann. Und derzeit hatte ich weder ein festes Einkommen, noch konnte ich annehmen, es in Kürze zu erlangen. Meine Einnahmen waren zu bescheiden, um mir Frau und Kinder zu erlauben. Die Abmachung war privater Natur, geschlossen unter Freunden. Niemand wusste davon, daher hätte es weder ihr noch ihrem Vater, noch mir Schande gebracht, wenn wir sie aufgelöst hätten. Außerdem hatte Episcopi nur dieses eine Mädchen; auf dem Heiratsmarkt hätte er diese Karte wahrlich besser ausspielen können - indem er sie mit einem hohen Staatsdiener, Reeder oder Händler verheiratete. Er schätzte mich, war mir ein aufrichtiger Freund und deswegen bereit, sie einem Maler anzuvertrauen. Doch ich wollte sie nicht. Ich war sechsundzwanzig Jahre älter als sie. Von einem anderen Ehemann wäre Faustina viel besser behandelt worden. Sie war ein verwöhntes junges Mädchen, niemals hätte ich ihr das Leben in Wohlstand, von dem sie träumte, bieten können. In dem Haus hinter Santa Caterina hielten sich die einzigen
beiden Frauen auf, nach denen es mich wirklich verlangte. Ich brauchte Faustina nicht. Ich musste es nur ihrem Vater sagen.
Wir hatten bereits am Lido gehalten. Das Glockengeläut sämtlicher Pfarreien Venedigs war zu hören und übertönte die Trompeten, Kastagnetten, Hörner und Trommeln, die die Prozession begleiteten, seitdem sie vom Markusplatz losgezogen war. Von der Festung wurden Salven abgefeuert, unter denen der Bucentaur eine Wende machte und mit dem mächtigen Bug aus dem Hafen ins offene Meer steuerte.«Was geschieht jetzt?», fragte Episcopi seine Kinder. Piero und Faustina stöhnten und schauten meinem Freund noch nicht einmal in die Augen, der mühselig seine alljährliche Lektion in Patriotismus abzuhalten suchte.«Der Patriarch schüttet das Weihwasser ins Meer!», ereiferte sich Episcopi.«Und wie lautet der Spruch, Piero? Wie lautet der alte Hochzeitsspruch des Serenissimo von Venedig?»« Desponsamus te, mare, in signum veri perpetuique dominii », stammelte der kleine Junge.«Und was bedeutet das?», fragte der Vater weiter, ohne eine Antwort zu erhalten.«Wir heiraten dich, Meer, zum Zeichen unserer wahren und beständigen Herrschaft. Dies ist ein sehr feierlicher Augenblick, der an die Geschichte unseres Landes erinnert», stieß er entmutigt hervor,«und daran, dass der Papst uns die Herrschaft über die Adria eingeräumt hat.»
Piero und Faustina machten keine Anstalten zuzuhören. Latein langweilte sie - Geschichte ebenso. Seitdem sie auf der Welt waren, mussten sie es sich jedes Jahr erneut anhören. Lieber applaudierten sie, wenn die prächtigen Schiffe der Patrizier vorbeizogen, die im Hafen vor Anker gingen, und unterhielten sich über den erstaunlichen Reichtum ihrer golddurchwirkten und mit Edelsteinen besetzten Kleider. Faustina neigte sich zum Wasser und streckte ihre gefalteten Hände aus, zwischen denen etwas Goldglänzendes hervorlugte. Als sie sich zu tief vornüberbeugte, hielt ich sie aus Angst, sie könne hineinfallen, am Ärmel fest.« Desponsamus te, Jacomo, in signum veri perpetuique dominii », sagte sie,
öffnete die Hände und ließ den goldenen Gegenstand aus ihren Fingern ins Wasser gleiten.«Ich verstehe kein Latein», grummelte ich.«Ich habe den Ring ins Meer geworfen», erklärte sie mir. Die Artillerie feuerte los, und die Menge stieß begeisterte Jubelrufe aus. Es war für alle der Beginn eines großartigen Feiertags.«Die Hochzeit ist vollbracht, Meister Jacomo», sagte Faustina.«Lieber heirate ich eine Schlange», erwiderte ich.
Dieses Mädchen war ungehörig, quicklebendig - und voller Anmut. Es hatte alles, was ich mir von einer Frau erwartete. Sie war sehr jung und unerfahren: Ich hätte sie erziehen und prägen, ihr alles beibringen und sie meinem Willen und
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