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Titan 05

Titan 05

Titel: Titan 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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um den Doktor eruptierte der Acker in lehmbraunen Erdfontänen. Der Arzt taumelte und fiel, blieb zuckend liegen, während der Donner der Triebwerke allmählich verhallte. Der Doktor hatte ein Ziel abgegeben, und der Pilot begnügte sich mit dem Ergebnis.
    Der Arzt lebte noch, als Amos sich keuchend bei ihm auf die Knie warf. Zwei Geschosse hatten ihn getroffen, aber er lächelte, als Amos sich über ihn beugte. Beide wußten jedoch, daß es keine Hilfe gab. Amos fand die Zigaretten des Doktors und zündete ihm mit ungeschickten Händen eine an.
    »Danke«, ächzte der Verwundete, nachdem er einen Zug getan hatte. Er fing an zu husten, unterdrückte es aber mit schmerzverzerrter Miene. Er sprach stoßweise und mit angestrengten, unregelmäßigen Pausen dazwischen, doch seine Stimme klang ruhig und fast unbeteiligt. »Ich glaube, ich werde zur Hölle fahren, Amos, da ich nie bereute – wenn es eine Hölle gibt! Und ich hoffe, daß es eine gibt, gefüllt mit den Seelen aller armen Teufel, die nicht im Stande der Gnade starben. Denn ich werde irgendeinen Weg finden…«
    Er hob plötzlich den Kopf, hustete und rang nach Atem. Dann fand er eine letzte Kraftreserve und begegnete Amos’ bekümmertem Blick, eine Spur seines alten zynischen Lächelns im Gesicht.
    »… einen Weg finden, um ein Rekrutierungsbüro zu eröffnen«, schloß er. Erschöpft ließ er den Kopf zurücksinken, und die Anspannung des Widerstands verließ seinen Körper. Wenige Sekunden später war er tot.
     
     
6
     
    Du sollst kein anderes Volk vor mir haben; keinen Bund sollst du gegen mich schließen… Du sollst dich ihnen nicht verschwören, noch ihnen dienen; denn ich bin ein eifersüchtig Volk…
    Frohlockungen XII, 2, 4
     
    Tagsüber lag Amos in dem Haus, zu dem er den Leichnam des Arztes geschleift hatte. Er suchte nicht einmal nach Lebensmitteln. Zum erstenmal in seinem Leben, seit er mit fünf Jahren die Mutter verloren hatte, war er schutzlos seinem Kummer ausgeliefert. Er konnte sich nicht mit dem Gedanken trösten, es sei Gottes Wille, daß er seine Trauer über den Tod des Arztes verberge. Und mit der Erkenntnis, daß er sich damit nicht mehr abfinden konnte, trafen ihn auch all die anderen Todesfälle, als wären auch sie gerade erst eingetreten.
    Am Nachmittag schlief er ein, um von einem mächtigen Geräusch und Erschütterungen des Bodens geweckt zu werden, aber als er zu sich kam, war alles still. Es war fast Abend, und er mußte an den Aufbruch denken.
    Er zögerte. Es wäre einfacher, bei seinem toten Freund zu bleiben und geschehen zu lassen, was immer ihm bestimmt war. Doch in ihm war ein Pflichtgefühl, das ihn weitertrieb. Etwas sagte ihm, daß er noch Arbeit zu tun habe.
    Bei der Durchsuchung des Hauses fand er ein hartes Stück Brot und etwas ebenso harten Käse, von denen er sich abwechselnd Brocken in den Mund schob und sie gemächlich kaute, während er ging. Es war noch zu hell, um sich gefahrlos im Freien zu bewegen, aber er wanderte wieder durch Wälder und hörte keine Flugzeuge. Als die Nacht hereingebrochen war, stieß er auf eine Landstraße, die in die Richtung von Wesley führte.
    In ihm war das Wissen, daß er dorthin zurückkehren müsse. Dort stand seine Kirche; wenn es gelungen war, die Eindringlinge zurückzuwerfen, könnten Mitglieder seiner Gemeinde dort sein. Wenn nicht, mußte er ihnen von dortaus folgen.
    Seine Gedanken waren zu tief für bewußten Ausdruck, und zu benommen von Erschöpfung. An einem seiner Schuhe begann sich die Sohle zu lösen, und er hatte Blasen an den Füßen, doch wanderte er entschlossen weiter. Nun, da die fremden Eindringlinge hier waren, war es mehr noch als sonst seine Pflicht, der Gemeinde beizustehen und sie zu führen. Weiter dachte er nicht.
    Gegen Morgen verkroch er sich in einer Scheune und mied das nahegelegene Wohnhaus, in dessen Eingang die Leichen seiner Bewohner verwesten. Tief im weichen, duftenden Heu vergraben, schlief er den Schlaf völliger Erschöpfung, aber als er aufwachte, fand er, daß er einen Arm mit geballter Faust in die Richtung von Clyde ausgestreckt hatte. Er hatte geträumt, er sei Hiob, und Gott habe ihn nicht erhört und mit seinen Geschwüren allein gelassen, bis er stürbe, während um ihn her Verstümmelte und Sterbende stöhnten und ihn um Hilfe baten, die er ihnen nicht geben konnte.
    Als die Stunde des Aufbruchs heranrückte, kam ihm der Gedanke, daß er sich längst hätte nach einem Wagen umsehen sollen. Zwar hatte er keinen gesehen,

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