Titan 08
übernehmen?«
»Großer Gott, nein, natürlich nicht!«
»Noch nicht einmal als wissenschaftliches Experiment?« Anglesey grinste. »Hat noch nie ein Operateur eines Esprojektors den Saft voll eingeschaltet und das Gehirn des Kindes mit seinen eigenen Gedanken überschwemmt? Kommen Sie, Cornelius, packen Sie aus!«
»Nun… wissen Sie, das liegt außerhalb meines Betätigungsfeldes.« Der Psioniker sah beflissen weg, fand eine harmlose Metallplatte und sog sich mit den Blicken daran fest. »Ich habe davon schon… gehört, ja… hm, in manchen pathologischen Fällen mag man wohl daran gedacht haben, die… hm, Wahnvorstellungen des Patienten mit reiner Willenskraft zu durchbrechen…«
»Und das hat nicht geklappt«, sagte Anglesey lachend. »Es kann nicht klappen, noch nicht einmal bei einem Kind, selbst wenn es ein Erwachsener mit einer voll entwickelten Persönlichkeit versucht. Denn man hat ja schon allein ein Jahrzehnt dafür benötigt, die Maschine soweit zu entstören, daß ein Psychiater in seinen Patienten ›hineinhorchen‹ konnte und dabei die Unterschiede zwischen den Gedankenmustern des Patienten und des Arztes bestehen blieben, ohne daß diese Unterschiede eine Interferenz erzeugten, die gerade das überlagerte, was der Arzt beobachten wollte. Die Maschine muß die Unterschiede zwischen den Individuen automatisch kompensieren. Den Unterschied zwischen den verschiedenen Spezies können wir immer noch nicht überbrücken.
Wenn jemand zu einer Zusammenarbeit bereit ist, kann man sein Denken sanft beeinflussen. Doch das ist alles. Wenn man versucht, die Kontrolle über ein anderes Gehirn mit all seinen Erfahrungsschätzen, einem eigenen Ego zu ergreifen, riskiert man seine geistige Gesundheit. Das andere Gehirn wird instinktiv zurückschlagen. Eine voll entwickelte, gereifte, ausgehärtete menschliche Persönlichkeit ist einfach zu komplex, um von außen gesteuert zu werden. Sie hat zu viele Hilfsquellen, eine wahre Hölle, die das Unterbewußtsein zu seiner Verteidigung entfesseln kann, wenn seine Integrität bedroht ist. Verdammt noch mal, wir können noch nicht einmal unseren eigenen Geist beherrschen, geschweige denn den eines anderen!«
Angleseys kratzstimmige Tirade brach ab. Brütend saß er vor dem Schaltpult, mit den Fingern auf die Konsole seiner mechanischen Mutter trommelnd.
»Nun?« sagte Cornelius nach einer Weile.
Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn er nicht gesprochen hätte. Aber er fand es fast unerträglich, still zu sein. Hier, eine halbe Million Meilen von der Sonne entfernt, war es sowieso zu still. Wenn man seinen Mund für fünf Minuten hielt, kroch das Schweigen wie Nebel um einen herum.
»Also«, höhnte Anglesey, »hat unser Pseudojupitermensch Joe das Gehirn eines körperlich Erwachsenen. Ich kann ihn nur aus dem Grund kontrollieren, weil wir seinem Gehirn niemals die Chance gegeben haben, ein eigenes Ego zu entwickeln. Ich bin Joe. Seit dem Moment, in dem er in das Bewußtsein ›hineingeboren‹ wurde, war ich bei ihm. Der Psistrahl schickt mir alle seine Sinneswahrnehmungen und sendet ihm die motorischen Impulse meines Nervensystems. Nichtsdestoweniger hat er ein exzellentes Gehirn, und seine Zellen speichern all seine Erfahrungen, genau wie bei Ihnen und mir. Seine Synapsen haben jedoch eine Topographie entwickelt, die genau meinem Persönlichkeitsmuster entspricht.
Jeder andere, der ihn nun übernehmen wollte, müßte herausfinden, daß das ein Versuch wäre, mich aus meinem eigenen Gehirn zu drängen. Es ist unmöglich. Um ganz sicherzugehen, hat er zweifelsohne nur einen rudimentären Satz von Anglesey-Erinnerungen. Ich wiederhole, zum Beispiel, während ich ihn kontrolliere, keine trigonometrischen Theoreme, aber er hat in der Tat genug, um eine ausgeprägte Persönlichkeit sein zu können.
Es entspricht den Tatsachen: Wann immer er aufwacht – dabei vergehen normalerweise ein paar Minuten, die er im Halbbewußtsein verlebt, während ich die Veränderung mittels meiner natürlichen Psifähigkeiten erspüre und mir dann den Verstärkerhelm aufsetze –, muß ich ein wenig kämpfen, um seinen Widerstand zu brechen, bevor ich seine Gedankengänge völlig auf die meinen eingestimmt habe. Es ist sogar schwer genug, einen seiner Träume…« Anglesey machte sich nicht die Mühe, den Satz zu beenden.
»Ich verstehe«, murmelte Cornelius. »Ja, das ist deutlich genug. Es ist sehr erstaunlich, daß Sie dazu in der Lage sind, mit solch einem völlig fremden
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