Titan 17
– da das sie umgebende Netzwerk ihr keine Bewegungsfreiheit mehr ließ – nur noch schwache Schreie ausstieß. Burl sah, wie sich die Spinne auf ihre Beute stürzte und beobachtete das letzte, konvulsivische Zucken des Insekts, als sich der Giftstachel in ihren Leib bohrte. Es dauerte einige Zeit, bis die Spinne ihr Opfer losließ und mit ihrer Mahlzeit begann. Sie saugte der Grille die Lebenssäfte aus. Nachdem sie die untere Hälfte des Kadavers leergesaugt hatte, wälzte sie ihn noch einige Male hin und her und ließ ihn dann liegen.
Nahrung gab es für sie genug. Sie konnte es sich erlauben, ihren Opfern nur das Beste zu entnehmen und den Rest verrotten zu lassen.
Burl hatte plötzlich einen Gedanken, der seinen Atem stocken ließ. Panik überflutete ihn und eine Sekunde lang knickten ihm die Knie ein. Mit wachsender Entschlossenheit musterte er die graue Spinne. Er, Burl, hatte auf dem roten Lehmhügel eine Jägerspinne getötet. Sicher, es war ein Zufall gewesen, der ihn in das Netz einer anderen geworfen und ihn beinahe das Leben gekostet hatte – aber er hatte eine Spinne umgebracht, und noch dazu eine von der allergefährlichsten Sorte.
In seinem Herzen begann ein großartiger Plan Form anzunehmen. Sein Stamm hatte die Spinnen stets zu sehr gefürchtet und war vor ihnen geflohen, als daß irgend jemand etwas über ihre Eigenschaften herausgefunden hätte, aber das eine oder andere wußte man über sie. Das wichtigste, das Burl einfiel, war die Tatsache, daß die Netzspinnen niemals ihr Versteck und ihr Netz verließen, um sich auf die Jagd zu begeben. Niemals! Und aus diesem Wissen wollte Burl seinen Vorteil schlagen.
Er zog sich von der weißleuchtenden Falle zurück und näherte sich ihr von der Rückseite. Das Gewebe verengte sich dort an einer Stelle und bildete einen etwa sieben Meter langen Tunnel, in dem die Spinne zwischen den Mahlzeiten wartete und auf das nächste Opfer lauerte, das sich in dem Trichter verfing. Burl kroch auf eine Stelle zu, die ihn bis auf dreieinhalb Meter an den Tunnel heranbrachte und wartete ab.
Plötzlich sah er durch das feine Gewebe hindurch den grauen Leib der Spinne. Sie hatte den ausgelaugten Kadaver der Grille verlassen und war an ihren Ruheplatz zurückgekehrt, wo sie es sich vorsichtig auf der dünnen Tunnelwandung bequem machte und mit glänzenden Augen die todbringenden Fäden ihres Netzes beobachtete. Obwohl Burls Haare sich vor Entsetzen sträubten, konnte er nicht mehr zurück. Er war zum Sklaven seines Einfalls geworden.
Er schlich näher heran und hob seinen neuen Spieß, den er einem unbekannten Geschöpf genommen hatte, das in den Flammen umgekommen war. Er hob den Spieß hoch und richtete dessen scharfe, tödliche Spitze auf den dicken, grauen Leib, den er durch die Fäden des Tunnelgewebes nur umrißhaft erkennen konnte. Dann schleuderte er ihn mit aller Kraft von sich – und stolperte mit glasigen Augen und von Entsetzen erfüllt davon, so schnell ihn seine Beine trugen.
Viel, viel später kehrte er zurück. Das Herz klopfte ihm bis zum Halse, und er war jederzeit darauf vorbereitet, beim geringsten Anzeichen einer Gefahr erneut davonzurennen. Aber alles war still. Burl hatte von den schrecklichen Zuckungen der tödlich verwundeten Spinne weder etwas gesehen, noch das entsetzliche Knirschen ihrer Fänge vernommen, mit denen sie versucht hatte, sich von dem Spieß zu befreien. Ebenso wenig hatte er sehen können, wie die Spinne in ihrem panischen Bemühen, noch einmal davonzukommen, das Netzwerk ihres Tunnels in Fetzen gerissen hatte.
Burl verließ das Feld der allesüberschattenden Riesenpilze, näherte sich vorsichtig dem Tunnel und stieß auf ein großes Loch, hinter dem ein großer, grauer, lebloser Körper hing, der beinahe durch den Riß, den sein Spieß erzeugt hatte, herausgefallen war. Unter dem Spinnenkadaver hatte sich eine übelriechende Flüssigkeit angesammelt. Aus der Wunde, die sein Spieß gerissen hatte, fiel hin und wieder ein Tropfen klatschend in den entstandenen Tümpel.
Burl betrachtete sein Werk und musterte den Leichnam des Lebewesens, das er umgebracht hatte. Er sah die gefräßigen Kinnbacken und die tödlichen Fänge. Die toten Augen der Bestie starrten ihn immer noch bösartig an, und die haarigen Beine waren ausgebreitet, als wollten sie das Loch, durch das sie halb herausgerutscht war, erweitern.
Burl fühlte sich plötzlich ungeheuer stolz. Seit Jahrtausenden hatte sich sein Stamm vor den großen Insekten
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