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Titan 17

Titan 17

Titel: Titan 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn , Wolfgang Jeschke
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transparenten, leuchtenden Schwingen und zwei großen Augen. Als das Lebewesen näherkam, erkannte er in ihm eine mindestens sieben Meter lange, golden schimmernde Libelle. Über dem Tümpel blieb sie eine Weile in der Luft stehen, dann stürzte sie sich wie ein Pfeil in die Tiefe. Ihr klaffendes Maul schnappte blitzschnell nach den Fliegen, deren glitzernde Leiber sie reihenweise verschlang.
    Kurz darauf erschien eine weitere Libelle. Sie war dunkelrot. Dann eine dritte. Sie drehten einige Kreise über dem goldenen See, trafen sich in seiner Mitte und glitten mit unglaublich eleganten Bewegungen dahin. Als sie sich ebenfalls auf die Fliegen stürzten, verwandelten sie sich in unersättliche Tötungs- und Freßmaschinen. Sie jagten von einem Ort zum anderen und ihre Facettenaugen glühten vor Gier. Die Masse der Fliegen mußten selbst den Hunger der gefräßigsten Kreatur stillen, aber die Libellen hörten nicht auf. So schön, schlank und anmutig sie auch waren, so wie sie die an dem Teich versammelten Fliegen niedermetzelten wirkten sie abstoßend und widerwärtig.
    Einige Stunden später gelangte Burl in Gefilde, die ihm bekannt waren. Er erkannte den großen Felsvorsprung, der sich wie ein Dach über ein Tal wölbte. Dort hatte sich ein haariges Wesen niedergelassen und sich eine märchenhafte Behausung geschaffen. Eine weiße Halbkugel hing an diesem Felsüberhang, von langen Tauen gehalten.
    Burl wußte, daß dies ein Ort war, den man besser mied, denn dort hatte sich eine Spinne ihr Nest gebaut, das sie hin und wieder verließ, um sich einem allzu Sorglosen an die Fersen zu heften.
    Das Ungeheuer saß im Innern der Halbkugel auf einem weichen Seidenkissen, aber wenn man ihm zu nahe kam, würde sich das gewölbte, scheinbar geschlossene Gehäuse öffnen und ein Alptraumwesen freilassen, das sich mit bösartiger Agilität auf seine Beute stürzte.
    Sicher, Burl kannte diesen Ort. An den Außenwänden des klebrigen Palastes hingen Steine und kleine Felsbrocken, aber auch die haftengebliebenen Überreste früherer Mahlzeiten, die Bruchstücke von Panzern und vereinzelte Knochen. Der Grund aber, warum Burl diesen schrecklichen Ort besonders fürchtete, war ein anderer: Unter der Burg dieses abscheulichen Wesens lag der verschrumpelte, mumifizierte Leichnam eines Menschen, den man bei lebendigem Leibe alle Lebenssäfte ausgesogen hatte.
    Vor zwei Jahren hatte der Tod dieses Menschen Burls Leben gerettet. Sie waren beisammen gewesen und hatten nach einem Feld eßbarer Pilze gesucht. Die Spinne, deren Nest unter dem Vorsprung hing, lebte von der freien Jagd, sie spann keine Netze. Sie war ganz plötzlich aus einem Hinterhalt aufgetaucht und hatte sie überrascht. Sie kam blitzschnell auf sie zu und erwählte sich ein Opfer. Als sie seinen Begleiter gepackt hatte, war Burl geflohen. Nun allerdings betrachtete er das Versteck seines alten Feindes mit nachdenklicheren Augen. Irgendeines Tages…
    Burl ging weiter, an dem Dickicht vorbei, in dem sich die großen Motten am Tage verbargen und ließ den brackig verfärbten, schlammigen Teich hinter sich, in dem eine riesige Wasserschlange lauerte. Er bahnte sich eine Gasse durch den kleinen Wald aus Leuchtpilzen, die nachts Helligkeit verbreiteten, und durchquerte die Schattenzone, in der sich während der Dunkelheit die nach Trüffeln suchenden Käfer ein Stelldichein gaben.
    Und dann sah er Saya. Er sah ihren hellen Leib hinter dem fleischigen Stengel eines unförmigen Riesenpilzes verschwinden, eilte auf sie zu und rief sie beim Namen. Als sie sich umwandte, sah sie eine Gestalt, die eine gewaltige Spinne auf dem Rücken trug und stieß einen entsetzten Schrei aus. Burl ließ seine Last zu Boden fallen und eilte rasch hinter ihr her.
    Schließlich erwischte er sie. Saya beruhigte sich erst, als sie ihn erkannte. Erstaunt musterte sie sein prächtiges Gewand mit dem leuchtend bunten Umhang aus Mottenschwinge und dem weichpelzigen Lendenschurz, die beiden goldenen Fühler auf seinem Kopf und den furchterregenden Spieß in seiner Hand. Das war nicht mehr der Burl, den sie einst gekannt hatte.
    Und er ging auf sie zu, fühlte nichts als die heiße Freude, sie endlich wiederzusehen und hörte den Schlag seines Herzens, als er ihre zierliche Gestalt und die dunkle Fülle ihres zerzausten Haares ansah. Burl streckte die Hände aus und berührte sie schüchtern. Dann begann er, wie es alle jungen Helden gerne tun, plappernd von den Dingen zu erzählen, die ihm widerfahren waren

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