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Titan 17

Titan 17

Titel: Titan 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn , Wolfgang Jeschke
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zu. Verzweifelt sah ich mich nach meiner Eisenstange um. Sie war verschwunden. Auch die von Reubens. Irgend etwas oder irgend jemand hatte sie uns genommen, während wir geschlafen hatten. Ich konnte nichts finden, was sich als Waffe hätte einsetzen lassen können. Aufgrund dieses Dilemmas drehten wir uns einfach um und rannten davon. Aber bald schon waren wir eingeholt. Zwei behaarte Menschen kreisten mich ein, während der dritte den Professor so hielt, daß der sich nicht mehr rühren konnte. Ich kämpfte wie ein Berserker, aber die vier Hände der Gegner schlossen sich wie eiserne Klammern um mich. Der Druck ihrer Finger war wie der von Schraubstöcken. Nach wenigen Minuten war ich wehrlos. Aber die Krönung des Schreckens folgte erst noch. Eine Ameise stieg von ihrem Roß herab und kletterte auf meinen Rücken. Als ich das Saugen ihrer Beine auf meinem Fleisch spürte, wurde ich wahnsinnig. Die Muskeln krümmten sich in wütendem Entsetzen unter meiner Haut. Ich biß und schrie und trat mit den Füßen aus. Aber alles half mir nichts. Ohne auf weiteren Widerstand zu treffen, kletterte die Ameise höher, bis sie zwischen meinem Nacken und meinen Schultern einen geeigneten Platz gefunden hatte. Zwei Fühler fuhren mir über die Wangen, griffen nach den Mundwinkeln und klammerten sich dort fest. Im gleichen Moment lösten die Behaarten ihren Griff, und ich war frei. Einen Augenblick lang stand ich still da. Ich war verwirrt und zitterte am ganzen Leib. Dann zogen die Fühler an meinem Mund und rissen den Kopf mit einem grausamen Ruck zurück. Mit einem Entsetzensschrei auf den Lippen flog ich in einem riesigen Sprung nach vorn. Ich suchte mit hochgereckten Händen den Inkubus auf den Schultern zu erreichen und zerrte wirkungslos an den Fühlern in meinen Mundwinkeln. Während ich darum kämpfte, den unmenschlichen Reiter aus dem Gleichgewicht zu bringen, wußte ich, welches Schicksal mir blühte: Ich war ein Pferd, das zugeritten werden mußte, war nicht mehr als ein wilder Mustang. Zum erstenmal spürte ich am eigenen Leibe, welch furchtbare Folter Zaumzeug und Sattel, Sporen und Peitsche sein können. Ich war ein niederes Tier, das von einem überlegenen Wesen bezwungen, geschlagen und abgerichtet wurde. Die blinde, überwältigende Furcht, die ich spürte, war die gleiche, die Tausende wilder Pferde gefühlt haben mußten, als sie vom überlegenen Menschen bezwungen worden waren. Ich rannte – rannte scheinbar Jahrhunderte –, angespornt und in die Seiten getreten, bis ich nicht mehr weiter konnte. Meine Gangart wurde immer langsamer, wurde Trab und schließlich nur noch Schritt. Dann blieb ich stehen. Blut und Speichel standen mir als Schaum vor dem Mund. Keuchend rang ich nach Luft. Ich zitterte am ganzen Leibe. Das unglaubliche Insekt ließ mich ein paar Minuten lang Atem holen, bevor es mich zu einem Trab zwang. Ich wehrte mich nicht. War geschlagen und eingeschüchtert. Der Fühler im linken Mundwinkel zog an – ich lief nach links. Der rechte zog an – ich lief nach rechts. Mein Reiter führte mich an Wällen vorbei, auf denen Ameisen saßen und zusahen. Genauso wie die Cowboys in der Vergangenheit, die gern auf den Gattern gesessen und einem der ihren bei einer Vorführung zugesehen hatten. Sie knisterten, unzweifelhaft ihre Art zu applaudieren. Etwa zwanzig Minuten lang mußte ich Schrittarten und Kommandos üben: Schritt, Kanter, im Kreis bewegen, Schwenks ausführen und auf Befehl stehenbleiben. Endlich glitt das Insekt von meinen Schultern, und ich sank zu Boden. Ich fühlte mich zu elend und ausgelaugt, um mich für die Frage zu interessieren, ob ich noch lebte oder im Sterben lag. Ich schreckte zurück und schloß die Augen, als die Ameise mich mit ihren Fühlern streichelte und beruhigend knisterte – nicht unähnlich einem Menschen, der sein Pferd streichelt und ihm sagt: »Brav, brav, alter Junge, hab’ keine Angst!«
    Später wurden mir ungekochtes Gemüse und grobkörnige Fladen gebracht. Die Ameise verließ mich. Lange Zeit lag ich nur da und konnte kaum einen Finger rühren. Bis der Professor erschien und sich neben mich setzte.
    »Mich haben sie nicht zugeritten«, sagte er. »Wahrscheinlich bin ich schon zu alt.«
    Er hob einen Fladen auf und biß hungrig hinein.
    »Versuchen Sie sie nur einmal, mein Junge. Schmecken gar nicht so schlecht, wie sie aussehen. Davon abgesehen fühlen Sie sich wesentlich besser, wenn Sie etwas gegessen haben.«
    Wahrscheinlich hört es sich merkwürdig

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