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Titan 17

Titan 17

Titel: Titan 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn , Wolfgang Jeschke
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einem Stich ins Gelbe. Ihre graziöse Figur war von mittlerer Größe. Sie trug ein leichtes, wehendes Gewand aus einem scharlachfarbenen Material.
    »Wohin fliegen wir?« fragte ich.
    »Zur Burg«, antwortete sie.
    Als sie mich ansah, wurde mir erst bewußt, daß ich ja nackt war. Der Professor hingegen war so glücklich über unsere Rettung, daß ihm sein unbekleideter Zustand gar nicht bewußt wurde.
    »Wir sind Ihnen zu großem Dank verpflichtet, daß Sie uns aus einer gefährlichen und entsetzlichen Lage gerettet haben«, erklärte er ihr freundlich.
    »Ich hielt Sie zuerst für Tiere«, antwortete sie, »und wenn Sie nicht in Englisch um Hilfe gerufen hätten, wäre ich weitergeflogen. Erzählen Sie mir doch bitte, wo Sie herkommen und wie Sie den Herrenameisen in die Hände gefallen sind?«
    »Wir kommen aus der Vergangenheit«, entgegnete Reubens, »und sind auf einer Ebene etwa zehneinhalb Kilometer von der Stelle entfernt gelandet, wo Sie uns aufgelesen haben. Die Insekten, die Sie Herrenameisen nennen, haben uns dort gefangen genommen.«
    »Aus der Vergangenheit?« fragte das Mädchen. »Wo ist das? Jenseits des Meeres?«
    »Nein«, antwortete der Professor. »Ein anderes Zeitalter. Eines, was vor diesem liegt. Aus einem vergangenen Zeitalter, verstehen Sie?«
    Das Mädchen verstand nicht. Sie starrte den Professor an, als sei sie der Meinung, die Unbilden, mit denen wir uns hatten herumschlagen müssen, hätten im Verstand von Reubens eine Schraube gelockert. Was mich betraf, so war ich damit zufrieden, mich auf einem Sitzplatz niederlassen und darüber nachdenken zu können, was das wohl für eine Burg sein mochte, zu der sie uns führte. Und was das wohl für Leute sein mochten, die sie im Jahre des Herrn 2450 bewohnten.
    Ich mußte nicht lange auf eine Antwort warten. Nach ungefähr einer Stunde Flug kam ein gigantisches Gebilde in unser Blickfeld, das wie eine Krone auf dem Gipfel eines Berges saß. Die Mauern glitzerten wie stumpfes Silber unter den Strahlen der Nachmittagssonne. Der Innenhof schien aus einem einzigen, großen Garten oder Park zu bestehen. Nie zuvor hatte ich etwas ähnlich Schönes oder Bizarres gesehen. Hier und dort erhoben sich silberfarbene Kuppeln aus schaukelnden Palmen, Fichten und Eichen. Das Flugschiff segelte wie ein Vogel, der sein Nest anfliegt, hinab und landete sanft auf einer großen Plaza. Nur wenig später wurden wir von Neugierigen beiderlei Geschlechts und aller Altersgruppen umringt. Die Frauen trugen graue Gewänder und die Männer weiße Hosen unter weichen Leinenhemden. Sowohl Männer als auch Frauen waren barhäuptig und barfuß, die Männer glattrasiert. Als sie unserer ansichtig wurden, fuhren Frauen und Kinder mit schrillen Schreckensschreien zurück. Einige Männer nahmen eine Haltung ein, als wollten sie uns auf der Stelle angreifen. Aber unsere Retterin rief ihnen zu, daß wir keine Tiere seien, sondern englischsprachige Reisende, die sie aus den Händen der Herrenameisen befreit habe. Nach dieser kleinen Ansprache ließ die Feindseligkeit deutlich nach. Aber das uns entgegengebrachte Erstaunen wurde um so größer.
    »Wie ist das nur möglich?« fragte ein gutaussehender junger Mann. »Bis auf uns leben keine englischsprachigen Menschen mehr in den beiden Amerikas. Und seit dreihundert Jahren hat uns keine Nachricht mehr aus Europa erreicht. Die Herrenameisen beherrschen dieses Land, vielleicht sogar die ganze Welt. Wo sollten also diese beiden Männer hergekommen sein, wenn nicht aus den Reihen der Tiermenschen?«
    »Wir sind Zeitreisende«, begann Reubens. »Wir kommen aus…«
    Ein großer, befehlsgewohnter Mann von etwa sechzig Jahren unterbrach ihn.
    »Unsere Gäste sind müde und erschöpft. Nachdem sie gebadet, gegessen und sich ausgeruht haben, ist immer noch Zeit genug, ihnen Fragen zu stellen. Also bitte, Freunde! Kennen wir denn in der Burg der Wissenschaft so wenig Gastfreundschaft, daß wir zwei Reisende vor unserer Haustür darben lassen?«
    Nach diesen Worten fuhr der junge Mann beschämt zurück. Bereitwillig streckten sich uns Hände entgegen und halfen uns aus dem Flugschiff. Nur schwerlich kann ich die exquisiten Annehmlichkeiten beschreiben, die in den nächsten Stunden auf uns warteten. Wir wurden in das Hauptgebäude der Burg geführt, das ebenfalls aus stumpfem Silbermaterial gefertigt war. Dort badete und wusch man uns. Schmerzlindernde Salben wurden auf meine Wunden aufgetragen. Man rieb uns mit erfrischenden Balsamölen ein

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