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Titan 17

Titan 17

Titel: Titan 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn , Wolfgang Jeschke
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wilden Schrei auf den Professor zuzustürmen. Bei gerader Körperhaltung wäre er sicher über einen Meter achtzig groß gewesen. Reubens zog sich schleunigst zurück. Daraufhin wandte sich der Anführer der Herde – man konnte diese Ansammlung behaarter Menschen nicht anders bezeichnen, und der rothaarige Riese war sicher ihr Anführer – an die Frauen und trieb sie mit Fausthieben und Tritten zum Bach zurück, wo alle anderen, Männer, Frauen und Kinder, nach irgendwelchen Wurzeln gruben.
    »Und so etwas nennen Sie Menschen?« sagte ich zu Reubens.
    »Das waren sie auch einmal.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Diese Kreaturen sind völlig deformiert. Selbst die Kinder sind bereits verkrümmt, und allen scheint diese Körperhaltung ganz natürlich zu sein.«
    »Vielleicht hat man sie für dieses Charakteristikum gezüchtet.«
    »Gezüchtet?«
    »Warum nicht? Wenn hier die Verhältnisse so sind, wie ich das vermute, dann sind aus den Menschen die Haustiere der Insekten geworden. Anfangs wurden sie vielleicht durch das Gewicht ihrer Reiter deformiert. Man nimmt zwar allgemein an, daß angenommene Charakteristika sich nicht vererben, andererseits wissen wir aber nur sehr wenig über Mutationen – zum Beispiel, welche Auswirkungen die konstante Ausübung einer Tätigkeit oder Fähigkeit auf das Genplasma haben mag. Es ist durchaus möglich, daß Mutationen mit bestimmten Besonderheiten im Körperbau geboren wurden. Und die Leute, die Sie hier vor sich sehen, sind aus ihnen entstanden.«
    Bevor ich eine Antwort geben konnte, bekamen wir Gelegenheit, das erste Exemplar dieser Ameisenart aus der Nähe zu sehen. Es tauchte urplötzlich nur wenige Meter von uns entfernt auf dem drei Meter hohen Wall auf. Sein metallisch schwarzer Körper war in drei Segmente unterteilt. Die Stelzfüße hoben es etwa zwanzig Zentimeter vom Boden. Von den vier Fühlern ragten zwei hoch in die Luft, während sich die beiden anderen aneinanderrieben. Sie steckten an einem beweglichen Kopf. Nirgends ließen sich Augen oder etwas Ähnliches entdecken. Doch blieb dieses Wesen ganze fünf Minuten an einer Stelle stehen, so als würde es uns intensiv studieren. Ich für mein Teil war fest davon überzeugt, daß es uns sehen konnte. Weitere Ameisen erschienen auf dem Wall, und bald erfüllte ihr metallisches Knistern die Luft. Bei diesem Geräusch spitzten die Männer der Herde die Ohren, stampften mit den Füßen auf, setzten dann aber ihre Nahrungsaufnahme fort. Die Frauen hingegen rannten zu den Wällen und streckten den Insekten ihre Hände entgegen. Dabei stießen sie flehentliche Rufe aus. Dann wurden wir Zeugen eines befremdlichen Schauspiels. Die Ameisen krabbelten wie eine Woge die Mauer herunter, blieben einen kurzen Moment bei den Frauen stehen und krabbelten im nächsten Moment den Wall wieder hinauf. Erst nach einigen Minuten dämmerte mir Sinn und Zweck dieses Tuns.
    »Der Herr steh mir bei! Professor!« schrie ich plötzlich. »Sie melken die Frauen!«
    Ich hatte richtig gesehen. Die Frauen der behaarten Herde wurden wie Kühe gemolken. Wir waren Schiffbrüchige in einer Zukunft, wo der Mensch nicht länger als Krone der Schöpfung galt. Statt dessen war aus ihm ein Haustier geworden, das man wie ein Pferd ritt, wie eine Kuh melkte und, da Ameisen Fleischfresser sind, oder es zumindest waren, sicher auch wie einen Ochsen schlachtete. Ich wischte mir den kalten Schweiß von der Stirn.
    »Professor«, flüsterte ich, krank vor Entsetzen. »Wir müssen von hier fliehen.«
    »Natürlich«, entgegnete Reubens ungerührt. »Aber wie – und wohin?«
    Darauf gab es keine Antwort. Die Wälle schlossen uns ringsum ein. Selbst wenn wir sie überwinden und den Wächtern entfliehen könnten, so war doch sicher, daß sich dahinter noch weitere Gehege befinden würden und Insekten, die uns einfingen. Wenn die Welt wirklich von den Insekten beherrscht wurde, dann waren wir nichts Besseres alsTiere, die man einfangen und zähmen oder töten mußte. Diese Ära, in die wir hineingestolpert waren, erwies sich als menschenfeindlich – zumindest feindlich für zivilisierte Menschen. Ich schloß die Augen, um mich von dem schrecklichen Anblick der herumkrabbelnden Insekten zu befreien. Ich versuchte auch, die Ohren vor dem fürchterlichen Knistern zu verschließen. Ich hörte aber ziemlich deutlich, wie der Professor nervös sagte: »Mein Junge, ich fürchte, sie kommen zu uns.« Drei Ameisen hatten die Rücken von Behaarten bestiegen und trabten auf uns

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