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Titan 18

Titan 18

Titel: Titan 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brain W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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Strahlen der fernen Sonne aufzufangen.
    Aber es gab kein Wort für »mein« im Unterschied zu »dein«. Es gab auch nicht den Drang, hinauszurufen »Warum bin ich hier? Was ist der Sinn und Zweck von all dem?«
    Alles hatte seinen Zweck – ruhig, gelassen, nichts in Frage stellend. Jeder reparierte oder erweiterte die Sickerkanäle, auf daß andere, Ungeborene, dieselben Freuden und Ekstasen erleben mochten. Die Arbeit an sich war Teil der totalen Freude, und sie widersetzten sich ihr ebenso wenig, wie gesunde Lungen sich nicht der klaren, kühlen Luft widersetzten.
    Seit urdenklichen Zeiten – Zeiten, die so weit zurücklagen, daß selbst die Vorstellung eines Anfangs vergessen war – sickerte das ineinander verwobene Geflecht ihre symbolischen wechselseitigen Abhängigkeit ebenso natürlich durch ihr Leben, wie das wertvolle Wasser durch den Sand der Kanäle sickerte. Und seit ebenso undenklichen Zeiten hatten sie eine Zivilisation geschaffen.
    Ihre Art von Zivilisation.
    Captain Griswolds Gesicht blieb unverändert ausdruckslos. (Mochte auch das Teil der Legende werden.) Ohne Ausdruck blickte er durch den Bildschirm auf das rote Land, das unter dem Schiff dahinzog, aber er drückte unbewußt die Schultern zurück, atmete tief und genoß das männliche Ziehen seiner Uniform über seiner sich ausweitenden Brust. Resolut verdrängte er das Bild zahlloser Generationen künftiger Schulkinder, die pflichtschuldig ihre Lektion lernten:
    ›Captain Thomas H. Griswold ergriff am 14. Juni 2018 Besitz vom Mars.‹
    Nein, er durfte nicht zulassen, daß irgendein Gefühl der Eitelkeit seine eigenen Erinnerungen an diesen Augenblick störte. Es tat nichts zur Sache, daß sein Name neben den großen Namen aller Zeiten stehen würde. Dennoch konnte man die historische Bedeutung des Augenblicks nicht leugnen.
    Lieutenant Atkinsons Stimme riß ihn aus seinen Gedanken und ersparte ihm, sich im Geiste unbescheiden mit der Frage zu beschäftigen, ob er nicht vielleicht seine Schirmmütze etwas mehr zur Seite schieben sollte, weil das besser zum Bild des kühnen Eroberers paßte. Dereinst würde er das Urbild all jener sein, die den Mars besucht hatten …
    »Wieder ein Kanal, Sir.« Unter ihnen erstreckte sich eine gerade, graugrüne Linie bis zum Horizont und bildete einen scharfen Kontrast zum roten Eisenoxid der Landschaft. Ein ganzer Planet aus Eisenoxid – Eisen – Stahl für die notleidende Technik des westlichen Bündnisses. Der Kapitän war einen kurzen Augenblick verstimmt darüber, daß selbst dieser schmale Streifen das wertvolle Eisenerz verdrängt hatte.
    Offensichtlich erfüllten diese Kanäle keinen Zweck. Sein Schiff hatte den Planeten am Äquator umkreist und dann noch einmal von Pol zu Pol. Überall Kanäle, aber sonst nichts. Sie hatten jetzt genug Zeit und Treibstoff vergeudet. Sie mußten landen. Es war offensichtlich, daß es kein intelligentes Leben gab. Aber die geschichtliche Bedeutung des Augenblicks durfte nicht durch irgendwelche Hast beeinträchtigt werden. In den Büchern, die noch geschrieben werden würden, durfte es keine Fragen geben. Es durfte keine akkreditierte Stimme der Kritik geben, die sich erhob.
    »Eine Empfehlung an Mr. Berkeley«, sagte er mit scharfer Stimme zu Lt. Atkinson, »und ob er freundlicherweise in den Kontrollraum kommen würde?« Er hielt inne und fügte dann trocken hinzu: »Sobald es ihm paßt.«
    Dieser Mister Berkeley. Wie nannten sie den Zivilisten? Einen Ethnologen? Ein Bursche, der angeblich eine Autorität zum Thema Rassen, Zivilisationen, Sitten und Bräuche von Gruppen war. Nun, der Mann war Übergepäck. Es würde hier keine Rassen geben, zu denen er den Kontakt herstellen konnte. Ganz gut so. Diese Zivilexperten mit ihren Theorien – man brauchte denen bloß einen Zahn zu zeigen, und schon reimten sie sich ein Monstrum zusammen. Und wenn man ihnen ein Stück von einem abgeschnittenen Fingernagel zeigte, dann waren die imstande, daraus eine ganze Zivilisation abzuleiten. Unsinn!
    »Sie wollten mich sprechen, Captain?« Die Stimme war jung, ruhig, kontrolliert.
    Captain Griswold drehte sich ohne Hast um und sah Berkeley an. Nicht nur ein Theoretiker, sondern sogar ein junger Theoretiker. Diese superintelligenten jungen Männer mit ihren scharfen blauen Augen. Eine Menge Kenntnisse, aber kein Wissen. Eine Menge Weisheit, aber kein gesunder Menschenverstand. Er hielt seine Stimme sorgfältig unter Kontrolle und verbarg seinen Mangel an Respekt für den

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