Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Titan 19

Titan 19

Titel: Titan 19 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
Vom Netzwerk:
Dolch klirrte auf den schlüpfrigen Boden der Zelle. Der Wärter sprang vor. Kierons Hand schloß sich fest um das Heft des Dolches. Mit einem Laut tierhafter Wut in der Kehle, trieb er ihn in Frekas ungeschützte Brust. Noch zweimal hob und senkte sich seine Hand, und dann traf ihn der Stiefel des Wärters voll ins Gesicht, und wieder verblaßte das Licht der Fackel in tintenhafte Schwärze…
    In der Finsternis verlor die Zeit jede Bedeutung. Ein dutzendmal erwachte Kieron, fühlte den stumpf pochenden Schmerz seiner Wunden und sank dann wieder in die Bewußtlosigkeit. Er aß – oder wurde gefüttert –, nahm genug zu sich, um am Leben zu bleiben, hatte aber keine Erinnerung daran. Er schwebte in einem rotgeränderten Meer schwarzer, unwirklicher Furcht. Er schrie oder schluchzte, je nachdem, wie die Zerrbilder seiner Fieberträume es ihm diktierten, aber das Ganze durchzog ein einziger Faden der Freude. Freka, der Verhaßte, war tot. Kein Alptraumschrecken und kein Delirium konnte ihm diesen Halt am Leben rauben. Freka war tot. Unbestimmt erinnerte er sich des Gefühls, wie der Dolch sich immer wieder in die Brust des Feindes gebohrt hatte. Manchmal vergaß er sogar, weshalb er Freka gehaßt hatte, klammerte sich aber so an das Wissen, daß er ihn getötet hatte, wie sich ein Ertrinkender an den letzten, erstickenden Atemzug klammert.
    Geräusche drangen in Kierons Verlies. Geräusche, die ihm vertraut waren. Das zischende Brausen von Raumschiffen. Und später das Grölen einer Menge. Kieron lag hingestreckt auf den Steinen seiner Zelle, hörte nichts, war wieder in die fiebernden Alpträume seines Deliriums versunken. Bis jetzt hatte sich niemand seiner Wunden angenommen. Nur sein kampfgestählter Kriegerkörper half ihm, den Faden des Lebens festzuhalten.
    Andere Geräusche drangen zu ihm. Das Krachen von Rammen und das Poltern brechender Mauern, die Angstschreie von Männern und Frauen, Waffengeklirr und die Flüche der Kämpfer. Stunden verstrichen, und immer lauter wurde der Lärm, rückte näher, jetzt im Herzen der Zitadelle von Neg selbst. Die Fackeln der äußeren Zellenblöcke erloschen, und niemand entfachte sie aufs neue. Der Kampfeslärm schwoll an, und jetzt mischten sich die unmenschlichen, tierhaften Schreie einer zum Wahnsinn gepeitschten Menge dazwischen.
    Endlich regte sich Kieron, anscheinend hatten die vertrauten Kampfgeräusche in seinem fiebernden Bewußtsein eine verborgene Saite angeschlagen. Er lauschte dem näherrückenden Waffengeklirr, bis er es vor der Zellentür hörte.
    Wieder schleppte er sich in seine Ecke und kauerte dort, und da war wieder das raubtierhafte Leuchten in seinen Augen. Seine Hände lechzten danach, zu töten. Er bewegte unter Schmerzen seine Finger und wartete.
    Und dann herrschte plötzlich Schweigen, ein Schweigen so vollkommen wie die Stille des Grabes.
    Kieron wartete.
    Die Tür flog auf, Männer mit Fackeln drängten in die Zelle. Kieron warf sich wild auf den ersten, seine Hände suchten dessen Kehle.
    »Kieron!« Nevitta warf sich zurück. Kieron klammerte sich an ihn, und sein Gesicht war eine fiebernde Maske wilden Hasses. »Kieron! Ich bin es… Nevitta!«
    Kierons Hände lösten sich von dem alten Krieger, und er stand schwankend da und blickte mit zusammengekniffenen Augen ins Licht der Fackeln. »Nevitta… Nevitta?«
    Ein wildes Lachen quoll von den zersprungenen Lippen des Gefangenen. Er sah sich um, blickte in die kampfgeröteten Gesichter seiner eigenen Männer.
    Er machte einen Schritt nach vorne und fiel in die Arme Nevittas, der ihn wie ein Kind hinauftrug ins Licht. Tränen strömten über seine von grauen Bartstoppeln bedeckten Wangen…
    Drei Wochen lang pflegten Alys und Nevitta Kieron, saugten mit dem Mund das Gift aus seinen Wunden, badeten ihn immer wieder, um den feurigen Würgegriff des Fiebers zu brechen. Endlich siegten sie. Kieron schlug die Augen auf – und sie blickten klar und verständig.
    »Wie lange?« fragte Kieron schwach.
    »Wir waren zwanzig Tage unterwegs… du liegst hier einundzwanzig«, sagte Alys dankbar.
    »Warum seid ihr zurückgekommen?« fragte Kieron bitter. »Ihr habt ein Imperium verloren!«
    »Wir sind deinetwegen gekommen, Kieron«, sagte Nevitta. »Zu dir, unserem König.«
    »Aber… Alys…«, protestierte Kieron.
    »Ich hätte den Großen Thron nicht gewollt, Kieron«, sagte Alys, »wenn dies bedeutet hätte, daß ich dich in einer Zelle verfaulen lassen muß!«
    Kieron wandte sein Gesicht zur Wand.

Weitere Kostenlose Bücher