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Titan 19

Titan 19

Titel: Titan 19 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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abwarten könne, bis seine Schicht um wäre, würde es ihn freuen, sie zurückzubegleiten.
    Sie sah ihn zweifelnd an. »Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber… aber einmal war ein Erdenmensch freundlich zu uns. Die Kinder haben ihn mit Steinen beworfen.«
    Kerr hatte nie viel über die Position nachgedacht, die die nichtmenschlichen Rassen auf seiner Welt einnahmen. Wenn sie ungerecht war, wenn man sie schlecht behandelte, so hatte er nicht mehr darüber nachgedacht als über die sonstige allgemeine Grausamkeit und Dummheit der Leute. Jetzt wallte Zorn in ihm auf.
    »Schon gut«, sagte er fast unfreundlich, »wenn das Warten Ihnen nichts ausmacht.«
    Rhysha lächelte schwach. »Nein, es macht mir nichts aus«, sagte sie.
    Da seine Schicht noch einige Stunden dauerte, führte er sie in einen kleinen Empfangsraum, in dem eine Couch stand.
    »Versuchen Sie zu schlafen«, sagte er.
    Kurz vor drei kam er sie wecken, und stellte fest, daß sie zwar still dalag, aber wach war. Sie verließen das Büro durch eine Seitentür.
    Die Stadt war um diese Stunde so still, wie sie überhaupt sein konnte. Alle Zeichenprojektoren und die meisten Straßenlampen waren abgeschaltet worden, um Energie zu sparen. Selbst die mächtigen, körperlosen Stimmen, die den ganzen Tag und die halbe Nacht aus der Luft dröhnten, waren verstummt. Die Dunkelheit und die Stille der Stadt machten es ihnen leicht, sich zu unterhalten, während sie durch die Straßen gingen.
    Später erkannte Kerr, wie sicher er sich doch Rhyshas Sympathie gewesen sein mußte, um so frei zu ihr zu sprechen, wie er es getan hatte. Und sie mußte ähnliches Zutrauen zu ihm empfunden haben, denn nach kurzer Zeit erzählte sie ihm vieles aus ihrem Leben und aus der Vergangenheit ihres Volkes.
    »Nachdem die Erdenmenschen unseren Planeten erobert hatten«, sagte sie, »war uns nichts mehr geblieben, was sie gebrauchen konnten. Aber wir brauchten Nahrung. Dann entdeckten wir, daß sie uns gerne beim Kämpfen zusahen.«
    »Habt ihr nicht gekämpft, ehe die Erdenmenschen kamen?« fragte Kerr.
    »Ja. Aber nicht so, wie wir jetzt kämpfen. Damals war es ein Ritual, sehr förmlich, mit viel Höflichkeit und viel Zeremoniell. Wir kämpften nicht, um Dinge voneinander zu bekommen, sondern um festzustellen, wer tapfer war und uns führen konnte. Die Erdenleute waren ungeduldig, unser Ritual dauerte ihnen zu lange – sie wollten sehen, wie wir uns verletzten und verstümmelten. So lernten wir so zu kämpfen, wie wir jetzt kämpfen, in der Hoffnung, getötet zu werden.
    Als wir das erstemal unseren Planeten verließen und zu den anderen Welten zogen, wo die Leute uns sehen wollten, gab es noch viele von uns. Aber seitdem hat es viele Kämpfe gegeben. Jetzt sind nur noch wenige übrig.«
    An der Kreuzung kam ein Bettler herangeschlurft. Kerr gab ihm eine Münze. Als der Mann sich mit einem gemurmelten Dank abwandte, sah er Rhyshas goldenen Haarknoten. »Verdammte Extie!« sagte er in plötzlicher Wut. »Abschaum! Und Sie als Mensch treiben sich mit ihr herum! Da!« Er warf Kerr die Münze vor die Füße und spuckte aus.
    »Selbst die Bettler!« sagte Rhysha. »Warum haßt ihr uns eigentlich so, Kerr?«
    »Weil wir euch Unrecht zugefügt haben«, antwortete er und wußte, daß es die Wahrheit war. »Sind wir denn immer so unfreundlich?«
    »So wie der Bettler? Oft… ist es noch weit schlimmer.«
    »Rhysha, Sie müssen weg von hier.«
    »Wohin?« antwortete sie ruhig. »Wir haben so oft darüber gesprochen! Es gibt keinen Planeten, auf dem nicht schon Milliarden von Menschen von der Erde sind. Ihr vermehrt euch so schnell!
    Und außerdem hat es nichts zu besagen. Ihr braucht uns nicht, es gibt keinen Platz für uns. Einmal hat uns das weh getan, aber jetzt nicht mehr. Wir sind müde – alle sind wir das, selbst die Jungen wie ich – so müde sind wir.«
    »Sie dürfen nicht so sprechen«, sagte Kerr. »Ich kann nicht zulassen, daß Sie so reden. Sie müssen weiterleben. Wenn wir Sie jetzt nicht brauchen, Rhysha, dann später.«
    Auf dem Häuserblock vor ihnen war das schwache Leuchten eines städtischen Teleschirms zu sehen. Da es spät war, umgab ihn ein dichtes Knäuel von Zuschauern. Ihre Augen starrten gierig auf die Kampfszene, die den Bildschirm füllte.
    Rhysha zupfte leicht an Kerrs Ärmel. »Wir sollten uns nicht sehen lassen«, sagte sie im Flüsterton. Kerr wurde mit einem leichten Stich bewußt, daß es Ärger geben würde, wenn die Zuschauer einen ›Menschen‹ sahen,

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