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Titan - 2

Titan - 2

Titel: Titan - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne SF Classics
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nicht genug Daten«, erklärte Raymond. »Wenn etwas nicht voraussagbar ist, ist es deshalb noch lange nicht schwarze Magie.«
    »Nein – aber ich möchte mich auf etwas verlassen können.« Sie blickte zurück zu den Felshügeln am Rand der Grande Montagne. »Ich danke Gott für die Uhr – wenigstens ein Ding, an das man sich halten kann.«
    Der Weg führte immer höher, durch holzige Stachelstauden, graublättriges Gebüsch, an Rotdorndickichten vorbei. Manchmal hörte er überhaupt auf; dann mußten sie sich auf gut Glück voranarbeiten. Manchmal verschwand der Pfad auch an einem Abbruch oder an einer senkrechten Wand und ging ein paar Meter höher oder tiefer weiter. Dies waren kleinere Schwierigkeiten, denen sie mit Gelassenheit begegneten. Erst als Robundus nach Süden hinuntersank und Urban sich dem nördlichen Horizont näherte, wurden sie unruhig.
    »Einfach unvorstellbar, daß mal eine Sonne um sieben Uhr abends untergehen sollte«, sagte Mary. »Das wäre zu normal, zu selbstverständlich.«
    Um viertel nach sieben gingen beide Sonnen unter. Der prachtvolle Doppeluntergang dauerte zehn Minuten. Darauf würde eine Viertelstunde Zwielicht folgen, dann Dunkelheit von unbestimmbarer Dauer.
    Ein kleines Erdbeben brachte sie um den Genuß des Sonnenuntergangs. Eine Steinlawine prasselte über den Weg herunter; hastig suchten sie unter einem Felsvorsprung Schutz, während große Steinbrocken auf den Pfad krachten und weiter den Hang hinunterkollerten. Dann verhallte das Dröhnendes Felssturzes; nur mehr ein paar Steinchen kamen gleich Schlußpunkten nachgeklickert. »Ist es vorbei?« fragte Mary mit heiserem Flüstern.
    »Sieht so aus.«
    »Ich bin durstig.«
    Raymond gab ihr die Feldflasche, und sie trank.
    »Wie weit ist es noch bis zum Streunerdorf?«
    »Zum alten Dorf oder bis Neustadt?«
    »Ist mir egal«, sagte sie müde. »Wenn wir nur irgendwohin kommen.«
    Raymond zögerte. »Ich muß zugeben, daß ich keine Ahnung habe, wie weit wir noch haben.«
    »Nun, wir können nicht die ganze Nacht hier bleiben.«
    »Schau, es wird Tag«, sagte Raymond, als die weiße Zwergsonne Maude den Himmel im Nordosten mit Silber zu überziehen begann.
    »Es ist Nacht«, stellte Mary in stiller Verzweiflung fest. »Nach der Uhr haben wir Nacht, und es ist mir gleich, ob jede Sonne der Milchstraße scheint, einschließlich der Heimatsonne. Solange die Uhr Nachtzeit zeigt, ist Nacht!«
    »Aber wenigstens können wir den Weg erkennen… Neustadt liegt gleich hinter diesem Hügelkamm; ich kenne diesen dicken Dornstrauch da wieder. Ich bin das letzte Mal daran vorbeigekommen.«
    Trotzdem war Raymond überrascht, als Neustadt tatsächlich dort lag, wo er glaubte. Sie wanderten durch die Siedlung. »Es ist so schrecklich still hier.«
    ›Neustadt‹ bestand aus drei Dutzend Hütten aus Beton und Glas; jedes der Häuschen wurde mit gefiltertem Wasser versorgt, besaß eine Dusche, eine Badewanne und eine Toilette. Als Zugeständnis an den Geschmack der Streuner waren die Dächer mit Dornbuschästen gedeckt, und der Hütteninnenraum war nicht abgeteilt. Sämtliche Häuser waren leer.
    Mary schaute in eins hinein. »Puuuh – gräßlich!« Sie rümpfte die Nase. »Dieser Gestank!«
    In den Fenstern der zweiten Hütte fehlte das Glas. Raymonds Miene war starr und verärgert. »Und ich habe alles Glas auf meinem müden Buckel hierher geschleppt! So danken sie unsere Mühe.«
    »Es kümmert mich wenig, ob sie uns dankbar sind oder nicht«, sagte Mary. »Was mir Sorgen macht, das ist der Inspektor. Er wird uns für diese Zustände« – sie zeigte rundum – »verantwortlich machen. Als ob wir etwas gegen diesen Dreck tun könnten.«
    Kochend vor Entrüstung durchforschte Raymond das Dorf. Er entsann sich des Tages, da Neustadt fertig geworden war – eine Modellsiedlung von sechsunddreißig makellosen Hütten, die kaum den Häusern der Kolonie nachstanden. Erzdiakon Burnette hatte die Einsegnung vorgenommen; die freiwilligen Arbeiter knieten auf dem Dorfplatz zum Gebet nieder. Fünfzig oder sechzig Streuner waren aus den Hügeln heruntergekommen, um zuzusehen – eine gaffende, heruntergekommene Schar: die Männer stoppelbärtig und mit zotteligem Haar, die Frauen tückisch und gerissen, faul und nach Ansicht vor allem der Kolonistinnen zu jeglicher Schamlosigkeit bereit.
    Nach dem Segen hatte Erzdiakon Burnette dem Häuptling des Stammes einen großen Schlüssel aus golden angestrichenem Sperrholz überreicht. »Hiermit übergebe ich

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