Titan 23
brummte Mason. »Und?«
»Ich – habe dich gehaßt. Ich habe Grund dazu. Mein Königreich, meine Göttin, meine Stadt Corinoor – die verehre ich. Für sie würde ich dich vernichten. Und doch…« Ihre nachtschwarzen Augen glitzerten seltsam. »Und doch erinnerst du dich an etwas, was ich dir vor langer Zeit sagte, in Al Bekr. Ich bin eine Frau…«
Sie machte eine hoffnungslose Handbewegung. »Und jetzt ist mein Herz krank. Weil ich weiß, daß du sterben mußt. Ich weiß, du haßt mich…«
Die Priesterin sank zu Boden, und ihr silbernes Haar fiel wie ein Schleier über ihr Gesicht. »Mein ganzes Leben lang habe ich keinen Mann wie dich gekannt. Es hat Gelehrte gegeben, wie Li Keng – und die Barbaren von Al Bekr – und Greddar Klon. Und diese Tiermenschen. Ich bin eine Frau, Kent Mason. Ich sehne mich nach etwas, das ich nie kennengelernt habe: Liebe.« Sie schluchzte.
Mason gab keine Antwort. Das schwere Parfüm hüllte ihn ein, gewann Macht über ihn. Er fühlte sich auf seltsame Weise von seinem Körper gelöst, wie betrunken. Und als sich Nirvor erhob und auf ihn zukam, bewegte er sich nicht. Sie zog ihn auf die Kissen nieder.
Kühle Hände strichen über seine Wangen; ein flammendheißer Mund suchte gierig den seinen. Und die seltsamen Augen waren so nahe…
Und wieder las Mason eine Botschaft in ihnen, die – die Botschaft des Fremden! Er fuhr zurück.
»Du fürchtest meine Augen«, flüsterte Nirvor. »Aber meinen Körper fürchtest du nicht…«
Sie stand auf, und ihre langen Lider verhüllten ihren Blick. Sie löste ihren schwarzen Umhang und ließ ihn achtlos fallen. Mason hielt den Atem an, als er den makellosen Körper der Priesterin sah. Plötzlich war seine Kehle wie ausgedörrt.
Nirvor ließ sich zu ihm niedersinken, die Augen geschlossen. Ihre Hände berührten Masons Gesicht, führten seine Lippen zu den ihren.
Und da blitzte etwas in Masons Bewußtsein auf. Es war wie ein Vorhang, der sich plötzlich öffnet und Licht in einen dunklen Raum fallen läßt. Im gleichen Augenblick war der betäubende Zauber, den die schwülen Düfte in ihm ausgelöst hatten, wie verflogen. Denn jetzt wußte Mason…
Ihm war, als drehte sich sein Magen um. Er stieß die Frau von sich. Ihre Augen bohrten sich in die seinen.
Und Mason flüsterte heiser: »Ich hätte die Wahrheit ahnen müssen! Was du und Li Keng und Murdach mir gesagt haben…«
Nirvors Lippen waren wie eine scharlachrote Wunde im blassen Weiß ihres Gesichts. Schrill stieß sie hervor: »Du wagst es, mich so anzusehen! Du wagst es…«
»Nein. Du willst es nicht, daß ich dich ansehe, jetzt, wo ich es weiß. Die Gelehrten und ihre Experimente – die Verwandlung von Tieren in menschliche Wesen – mein Gott!« Mason schauderte, als er sich an die Leidenschaft erinnerte, die ihr Körper in ihm erweckt hatte. Und dann fuhr er leise, unsicher, fort: »Du bist das Ergebnis eines solchen Experiments, Nirvor! Du bist kein Mensch. Du warst ein Tier!«
Die Priesterin sprang auf, ihr Busen wogte, und ihre Finger wirkten wie Klauen. »Ja! Und was ist damit? Sie haben eine Frau aus mir gemacht.«
Masons Gesicht verriet den Schrecken, den er empfand. Er flüsterte, und doch war das, was er sagte, kaum zu hören.
»Was warst du?«
Nirvor schwieg einen Augenblick lang. Dann sagte sie: »Bokya und Valesta…«
»Die Leoparden?«
»Sie sind meine Schwestern!«
Mit verzerrtem Gesicht sprang Nirvor zur Tür. Sie riß sie auf. Von dem großen Saal dahinter hallte ein Brüllen aus tiefer Kehle.
Sie schrie einen Befehl. Tiermenschen strömten in den Raum, packten Mason. Vor Ekel unfähig zu sprechen, wehrte er sich verzweifelt, bis die Macht ihrer Überzahl ihn zu Boden drückte und ihn der üble Gestank, der von den Tiermenschen ausging, fast betäubte.
Nirvor stand über ihm, eine Statue des lebenden Bösen. Dann sagte sie: »Du bist stolz auf deine Menschlichkeit, Kent Mason? Vielleicht wirst du noch Anlaß haben, das zu bedauern. Denn jetzt trittst du vor das Gericht der Tiere!«
Der riesige Saal war angefüllt mit Tiermenschen. Auf einem niedrigen Podest vor der Statue Selenes sah Mason drei gefesselte Gestalten: Alasa, Murdach und Erech.
Dann schleppte man auch Mason auf das Podest, warf ihn hin. Zwei Tiermenschen hielten ihn so fest, daß er sich nicht bewegen konnte.
Nirvor stand neben ihnen, die schlanke Hand erhoben. Sie schrie etwas in der kehligen Sprache der Ungeheuer. Sie brüllten ihr ihre Antwort entgegen.
»Das Urteil
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