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TITAN 8

TITAN 8

Titel: TITAN 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne SF Classics
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Von dem Moment seiner ›Geburt‹ an hat es jede Sinneswahrnehmung gespeichert, in seinen eigenen Erinnerungszellen, nicht nur in Angleseys Erinnerungsspeichern hier oben. Wie Sie wissen, ist auch ein Gedanke ein Sinnesdatum; und Gedanken kann man nicht voneinander trennen wie Eisenbahnschienen, sie sind dicht miteinander verwoben. Immer, wenn Anglesey mit Joe in Verbindung steht und dabei denkt, geht der Gedanke ebenso durch Joes Synapsen wie durch seine eigenen. Jeder Gedanke trägt eigene Assoziationen mit sich, und jede einzelne Assoziation wird vom Gedächtnis gespeichert. Wenn Joe nun eine Hütte baut, mag die Anordnung der Stämme Anglesey an irgendeine geometrische Form erinnern, bei der ihm wiederum der Satz des Pythagoras einfällt…«
    »Ich verstehe jetzt, was Sie damit meinen«, sagte Viken vorsichtig. »Wenn Joes Gehirn genug Zeit dafür zur Verfügung gestellt bekommt, wird es all das aufnehmen, was vorher Ed ausmachte.«
    »Ganz genau. Ein funktionsfähiges Nervensystem mit einem engrammatischen Erfahrungsmuster, in diesem Fall ein nicht menschliches Nervensystem – wäre das nicht eine gute Definition des Begriffes Persönlichkeit?«
    »Das nehme ich an. Großer Gott!« Viken sprang auf. »Sie meinen, daß Joe… ihn übernimmt?«
    »Gewissermaßen ja. Auf eine sehr subtile, automatische, unterbewußte Art.« Cornelius atmete tief ein. »Der Pseudojupitermensch ist eine fast perfekte Lebensform. Als Ihre Bioingenieure ihn erschaffen haben, vermieden sie dabei alle Fehler, die die Natur bei uns begangen hat. Zuerst war Joe nur eine fernbediente biologische Maschine. Dann wurden Anglesey und Joe zwei Seiten einer einzigen Persönlichkeit. Dann, es ging sehr langsam vor sich… der stärkere, gesunde Körper hatte eine größere Willenskraft… Begreifen Sie jetzt? Über kurz oder lang wird Joe dominieren. Und deshalb werden die anderen Pseudos jetzt hinuntergeschickt. Anglesey glaubt nur, daß er dafür logische Argumente aufweisen kann. In Wirklichkeit sind seine ›Gründe‹ nur Manifestationen der instinktiven Begierden Joes, des anderen Teils.
    Angleseys Unterbewußtsein muß diese Situation erfaßt haben, wenn auch nur auf dunkle, passive Art; es muß fühlen, wie das menschliche Ego langsam von der alles niederwälzenden Kraft von Joes Instinkten und Wünschen aufgesogen wird. Es versucht nun, seine eigene Identität zu verteidigen, wird aber von Joes überlegenem, sich langsam deutlicher ausbildenden Unterbewußtsein niedergerungen.
    Das ist keine exakte Erklärung«, schloß er entschuldigend, »aber sie erklärt die Oszillationen der K-Röhre.«
    Viken nickte langsam; er wirkte plötzlich gealtert. »Ja, ich verstehe«, sagte er. »Diese fremde Umgebung dort unten… die unterschiedliche Gehirnstruktur… Mein Gott! Ed wird von Joe langsam aufgesogen! Der Marionettenspieler wird zur Marionette!« Er sah plötzlich leidend aus.
    »Das ist nur eine reine Annahme«, sagte Cornelius. Plötzlich fühlte er sich unsagbar müde. »Aber Sie sehen jetzt das Dilemma, nicht wahr? Wenn ich recht behalte, wird jeder Esmann schrittweise zu einem Jupitermenschen, zu einem Monster mit zwei Körpern, von dem der menschliche nur noch ein unbedeutendes Hilfsmittel darstellt. Das ist gleichbedeutend damit, daß nie wieder ein Esmann zustimmen wird, einen Pseudo zu kontrollieren – und somit auch mit dem Ende Ihres Projekts.«
    Er stand auf. »Es tut mir leid, Arne. Aber Sie wollten ja hören, was ich wirklich denke, und nun werden Sie des Nachts wachliegen und sich Gedanken machen, und ich habe vielleicht unrecht und Sie brüten unnötigerweise vor sich hin!«
    »Schon in Ordnung«, murmelte Viken. »Vielleicht liegen Sie mit Ihrer Annahme richtig.«
    »Ich weiß es nicht.« Cornelius ging zur Tür. »Ich werde versuchen, morgen ein paar Antworten zu finden. Gute Nacht.«
     
    Der Mond erzitterte unter dem Donner der Raketen. Dann ließen die Rückstöße nach. Die Flotte glitt auf metallischen Schwingen dahin, jagte mit kreischenden Bremsraketen durch den tobenden Jupiterhimmel.
    Als Cornelius die Tür zum Kontrollraum öffnete, schaute er auf die Anzeigenskalen. Irgendwo meldete eine Lautsprecherstimme: Ein Schiff zerschellt, zwei Schiffe zerschellt. Doch Anglesey nahm nichts von seiner Umgebung wahr, wenn er den Helm trug. Ein entgegenkommender Techniker hatte ein Schaltpult mit fünfzehn roten und ebenso vielen blauen Lämpchen über Cornelius’ Esprojektor errichtet, um auch ihn informiert zu halten.

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