TITAN 8
wenn er recht behält«, sagte Cornelius, »brauchen Sie keine Jupiterschiffe mehr. Außer für den Transport weiterer Pseudos. Sie werden dann vollauf damit beschäftigt sein, die eintreffenden Daten von der Oberfläche zu verdauen, als daß Sie noch in den Atmosphäreschichten herumwühlen müßten.«
»Sicher, das stimmt. Aber wir hätten nie so früh damit gerechnet. Wir wollten weitere Esmänner anfordern, die die Pseudos kontrollieren sollten…«
»Aber sie werden nicht mehr gebraucht«, entgegnete Cornelius. Er zündete eine Zigarre an und zog tief an ihr, während er nach den richtigen Worten suchte. »Zumindest vorläufig nicht mehr. Joe hat einen Punkt erreicht, an dem er, wenn man ihn in der richtigen Weise unterstützt, mehrere tausend Jahre der Geschichtsschreibung überspringen kann. Es mag ihm sogar glücken, in der allernächsten Zukunft ein Radio zu entwickeln, das die Arbeit Ihrer Esmänner überflüssig machen würde. Aber ohne Hilfe ist auch er an kontinuierlich ablaufenden Zeitfluß gebunden. Und es wäre dumm, einen sorgsam ausgebildeten Esmann manuelle Arbeiten erledigen zu lassen. Dafür sind die anderen Pseudos momentan viel geeigneter. Sobald sich die Jupiterkolonie einmal etabliert haben wird, kann man sicher noch mehr Marionetten hinunterschicken.«
»Die Frage ist die«, beharrte Viken, »ob Anglesey es verkraftet, all diese Pseudos auf einmal zu erziehen. Tagelang werden sie hilflos wie Neugeborene sein. Es dauert Wochen, bis sie wirklich beginnen, selbst zu denken und zu handeln. Kann Joe so lange auf sie acht geben?«
»Er hat Nahrung und Brennstoff für Monate im voraus gelagert«, widersprach Cornelius. »Und was Joes Fähigkeiten anbelangt – hm, da müssen wir einfach Angleseys Behauptungen hinnehmen. Er ist der einzige, der über Hintergrundinformationen verfügt.«
»Aber sobald diese Jupitermenschen wirkliche Persönlichkeiten entwickeln«, wandte Viken ein, »müssen sie sich dann noch unbedingt an das halten, was Joe ihnen aufträgt? Vergessen Sie nicht, daß die Pseudos nicht einfach simple Kopien ein und derselben Matrix sind. Sie alle verfügen über einen jeweils einzigartigen Gensatz, der einen gewissen Unsicherheitsfaktor automatisch bedingt. Unter all diesen Fremden befindet sich dann nur noch ein einziger menschlicher Geist auf Jupiter…«
»Ein menschlicher Geist?« Der Einwand war kaum hörbar gewesen. Viken wollte etwas sagen, aber Cornelius redete schnell weiter. »Oh, ich bin sicher, daß Anglesey sie permanent beherrschen kann«, sagte er. »Seine Persönlichkeit ist einfach furchtbar stark.«
Viken sah ihn verblüfft an. »Glauben Sie das wirklich?«
Der Psioniker nickte. »Ja. In den letzten Wochen war ich mehr mit ihm zusammen als sonst irgend jemand. Und mein Beruf bedingt es, daß ich mich mehr an der Psyche eines Menschen denn an seinen Körper oder seinen Angewohnheiten orientiere. Sie sehen einen jämmerlichen Krüppel. Ich sehe einen Verstand, der dank der körperlichen Handikaps eine solch höllische Energie, eine solch unmenschliche Konzentrationsfähigkeit entwickelt hat, daß ich mich davor schon fast fürchte. Geben Sie diesem Verstand einen gesunden Körper, den er benutzen kann, und nichts ist für ihn unmöglich.«
»Da mögen Sie recht haben«, murmelte Viken nach einer Weile. »Aber das kann auch nichts mehr daran ändern. Die Entscheidung ist gefallen, die Jupiterraumer starten morgen. Ich hoffe nur, daß alles so aufgeht, wie wir es uns vorstellen.«
Er schwieg wieder. Das Summen des Ventilators erschien in dem kleinen Zimmer unnatürlich laut, die Farben eines Pin-Up-Bildes an der Wand erschreckend grell. Dann fuhr er zögernd fort: »Sie haben fast gar nichts gesagt, Jan. Was meinen Sie, wie lange brauchen Sie noch, um Ihren eigenen Esprojektor fertigzustellen und die Experimente beginnen zu können?«
Cornelius sah sich um. Die Tür zum Gang stand weit offen, aber er schloß sie, bevor er grinsend antwortete: »Seit ein paar Tagen ist er schon fertig. Aber erzählen Sie es nicht weiter.«
»Warum denn das?« Viken fuhr hoch. Die Bewegung trug ihn in der geringen Schwerkraft aus dem Stuhl und halb über den Tisch, der zwischen den beiden Männern stand. Er drückte sich zurück und wartete.
»Ich habe nur zum Schein daran herumrepariert«, erklärte Cornelius. »Ich warte nur noch auf den richtigen Zeitpunkt, darauf, daß Anglesey furchtbar aufgeregt ist und sich völlig auf Joe konzentriert. Morgen wird es soweit
Weitere Kostenlose Bücher