Titanen-Trilogie 01 - Das Erbe der Titanen
jetzige, kaum glaubhaft war -, hatte es inzwischen doch eine Weiterentwicklung gegeben. Denn es war undenkbar, daß ein Mann Gunstbeweise verlangte, die ihm nicht freiwillig angeboten wurden. Oder daß eine Frau damit launisch geizte. Doch er dachte auch daran, was Sosa ihm von ihrer Kindheit erzählt hatte. Es gab bestimmte Stämme, die Frauen anders einstuften. Also war nicht alles Schlechte vom Feuer ausgelöscht worden!
Das Mädchen konnte ihre Neugier nicht länger zügeln. »Wenn eine Frage gestattet ist - wo ist Eure Frau?«
Er dachte an Sosa, die kleine, kleine Sosa, die fast zu klein für einen normalen Armreif war, doch groß in ihren Handlungen und Verstand. Sie fehlte ihm sehr.
»Sie ist im Totenreich«, sagte er.
»Das tut mir leid«, sagte sie. Sie hatte ihn mißverstanden, wie es auch in seiner Absicht gelegen war. Wenn ein Mann seine Frau liebte, begrub er seinen Armreif mit ihr und nahm keinen anderen, ehe nicht die Trauerzeit vorüber war. Wie konnte er ihr erklären, daß es nicht Sosas Tod war, sondern seine Rückkehr ins Leben, die sie für immer getrennt hatte?
Das Mädchen setzte sich im Bett auf und faßte verlegen nach seiner Brust. »Ich hätte nicht fragen sollen«, sagte sie.
»Ich hätte es gleich sagen sollen.« Er wusste, wie häßlich er dieser Unschuld erscheinen mußte.
»Wenn Ihr wollt . . .?«
»Nichts für ungut«, sagte er bestimmt.
»Schon gut«, sagte sie erleichtert.
Würde dieses einfache, ungekünstelte Mädchen, das mit ihm die Unterkunft, nicht aber das Bett teilte - würde sie je die Wildheit der Leidenschaft und Trauer, die er erlebt hatte, erfahren? Würde ein stämmiger Krieger ihr morgen seinen Armreif geben und dann zum Berg ziehen, wenn er sie verlieren sollte?
Möglich war es ja. Denn das war der große moderne Traum vom Leben und von der Liebe. Im Geringsten unter den Menschen - ob Mann oder Frau - lag das Vermögen, tiefe Gefühle hervorzurufen. Das war das Wunder des Lebens.
Am Morgen machte sie ihm das Frühstück - wieder eine höfliche Geste, die bewies, daß sie gut erzogen war. Sie bemühte sich, nicht hinzusehen, als er aus der Dusche kam. Er segnete sie dafür. Dann zog er seiner Wege, das Mädchen ebenfalls. Diese eingebürgerten Sitten hatten schon etwas Gutes. Wären sie einander vor vier Jahren begegnet und wäre sie damals schon erwachsen gewesen . . .
Er brauchte bloß eine Woche, um jene Strecke zurückzulegen, die einstmals zwei Männer und ein Mädchen gewandert waren. Einige Unterkünfte waren besetzt, andere wieder nicht. Immer blieb er für sich und wurde nicht gestört. Ein wenig erstaunte es ihn schon, daß sich die Sitten so gar nicht geändert hatten. Das war auch ein Vorzug der Nomadengesellschaft, den er nie richtig gewürdigt hatte, bis er miterlebt hatte, wie rau es anderswo zugehen konnte.
Dennoch gab es einige Änderungen. Die Markierungen waren zum Beispiel verschwunden. Anscheinend hatten die Irren - vielleicht beschleunigt durch seinen an Jones erstatteten Bericht - ihre Geigerzähler eingesetzt, die in der elektronischen Werkstatt der Unterwelt hergestellt wurden. Und sie hatten das Gebiet dann neu markiert. Das konnte bedeuten, daß die Falter und Mäuse ebenfalls verschwunden oder zumindest mit der übrigen Ökologie im besseren Gleichgewicht waren. Er entdeckte sogar Spuren huftragender Tiere. Wenigstens glaubte er, sich nicht in den Spuren zu täuschen.
Das alte Lager bestand noch - voll von Erinnerungen - und wurde immer noch benutzt. In den verschiedenen Kampfringen . übten die Männer. Auch das große Zelt neben dem Fluß stand noch. Der Feuergraben war jedoch eingeebnet worden. Das war der endgültige Beweis, daß die Mäuse nicht mehr ausschwärmten. Endlich hatten sie der stärkeren Gattung Platz gemacht - dem Menschen!
Aber wer herrschte tiefer drinnen, im Ödland, wohin der Mensch noch nicht vordringen konnte? Und falls es wieder einen Weltenbrand geben sollte . . .
Warum war er so erstaunt, hier Menschen anzutreffen? Er hatte doch gewusst, daß dies der Fall sein würde. Hier war der Geburtsort des Reiches!
Er näherte sich dem Lager und wurde prompt aufgehalten.
»Halt! Zu welchem Stamm gehört ihr?« fragte ein strammer Stabkämpfer und besah sich die Tunika, als versuchte er, seine Waffe zu identifizieren.
»Zu keinem Stamm. Ich möchte Euren Anführer sprechen.«
»Euer Name?«
»Ich bin namenlos. Führt mich vor Euren Herrn!«
Der Krieger wurde unfreundlich. »Fremdling, Euch gebührt
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