Titanen-Trilogie 01 - Das Erbe der Titanen
Krachen.
Sos ließ Sav wieder los und schob den Mann aus dem Ring. Für die anwesenden Krieger gab es keinen Zweifel: Es war ein komplizierter, offener Bruch, den Sav erlitten hatte. Die Männer nahmen sich Savs an, der taumelnd nach seinem Arm faßte und den freigelegten Knochen zurechtzurücken versuchte, während Sos gleichgültig vom Ring aus zusah.
Notwendig war das nicht gewesen. Er hätte auf hundert sanftere Arten siegen können. Er hatte aber einen überzeugenden Sieg gebraucht. Hätte Sav nur knapp oder durch einen Trick verloren, hätten die Anwesenden seinen vollen Einsatz oder seinen Willen zum Sieg vielleicht bezweifelt. Der Armbruch war der sichtbare Beweis dafür, daß dem nicht so war. Savs Männer wussten nun, daß niemand hätte siegen können, wo ihr Anführer versagt hatte, und daß es bei diesem Kampf kein heimliches Einverständnis oder Feigheit gegeben hatte.
Sos hatte also seinem früheren Freund schreckliche Schmerzen zugefügt. Er wusste aber, daß dieser sie ertragen würde, um zu retten, was viel wichtiger war - den Ruf des Verlierers.
»Setzt Euren zweiten Mann zum Führer dieses Lagers ein!« befahl Sos dem Besiegten, scharf und ohne Mitgefühl. »Ihr und ich, wir machen uns morgen in aller Frühe auf den Weg. Wir beide allein!«
XIX
Zwei Männer verließen das Lager. Der eine trug den Arm in der Schlinge. Sie gingen an diesem Tag so weit, wie es der gebrochene Arm und der Blutverlust des Verletzten erlaubten, und kehrten über Nacht in einer Herberge ein.
»Warum?« fragte Sav, als Sos das Abendbrot zubereitete.
»Der Arm?«
»Nein. Das kann ich verstehen. Warum aber du?«
»Man hat mich dazu bestimmt, Sols Reich zu übernehmen. Er wird sich mit mir wohl kaum im Ring messen, wenn ich ihm nicht zuerst einen seiner Unterführer besiegt vorführe.«
Sav lehnte sich vorsichtig zurück. Er mußte auf seinen Arm achtgeben. »Ich meine, warum ausgerechnet du, Sos?«
Der erste Mann, der zweite Tag. Und schon war er, ohne es zu merken, erkannt worden!
»Du kannst mir vertrauen«, sagte Sav. »Ich habe niemandem von deinen Nächten mit Sola erzählt, obwohl ich damals nicht durch den Ehrenkodex des Ringes gebunden war. Jedenfalls nicht dir gegenüber. Ich werde es auch jetzt niemandem erzählen. Diese Information hätte nur mir allein gehört, wenn ich sie von dir bekommen hätte. Das war aber nicht der Fall.«
»Woher hast du es erfahren?«
»Wir haben doch eine ganze Weile das Zelt geteilt. Dabei habe ich dich ganz gut kennengelernt. Ich weiß, was du denkst und wie du riechst. Gestern konnte ich wegen der Schmerzen im Arm nicht einschlafen und ging an deinem Zelt vorbei.«
»Wie hast du mich im Schlaf erkannt?«
Sav lächelte. »An deinem Schnarchen.«
»Ich . . .« Er hatte nicht einmal gewusst, daß er schnarchte.
»Und noch an ein oder zwei Dingen«, fuhr Sav fort. »Wie du auf die Stelle hingestarrt hast, wo unser kleines Zelt gestanden hatte. Dabei hast du aber nicht an mich gedacht! Und wie du RedRiver Valley heute unterwegs gesummt hast. Wie du dich bemüht hast, mich im Ring nicht zu jämmerlich abschneiden zu lassen, damit ich ehrenhaft verliere. Das hättest du alles gar nicht nötig gehabt. Du hast auf mich Rücksicht genommen, wie ich auf dich Rücksicht genommen habe.«
»Rücksicht auf mich?«
»Du weißt schon - ich habe dir den ganzen Winter über die Mädchen vom Hals gehalten, auch wenn ich selbst dafür einspringen mußte. Ich habe einen Mann zu Sol geschickt, als es Zeit wurde. Und dergleichen mehr.«
Also war Sol weggeblieben, bis Sola schwanger geworden war! »Du hast über Sol - Bescheid gewusst?«
»Ich bin von Natur aus neugierig. Aber ich kann den Mund halten.«
»Das ist wahr!« Sos brauchte einen Augenblick, um sich an die veränderte Situation zu gewöhnen. Der Stabkämpfer war viel verständiger und diskreter, als er jemals angenommen hatte. »Na gut, Sav, ich werde dir alles erzählen. Und du wirst mir sagen, wie ich meine Geheimnisse bewahren kann, ohne daß jemand anderer Verdacht schöpft. Einverstanden?«
»Ja. Außer . . .«
»Keine Ausnahmen! Ich kann es außer dir niemandem sagen!«
»Einige werden dich auf jeden Fall wiedererkennen. Sol erkennt dich schon auf einige Meter Entfernung. So ist er eben. Auch Sola kannst du nicht lange hinters Licht führen. Die anderen - na ja, wenn wir es bei Tor schaffen, werden die anderen kein Problem sein.«
Sav hatte wahrscheinlich recht. Sos machte sich darüber keine
besonderen Gedanken.
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