Titanen-Trilogie 02 - Die Kinder der Titanen
Junge.
Wieder löste der Riese das Seil und wieder stürzte der Junge davon. Wieder wurde er vom Lasso eingefangen.
»Nein!« wiederholte der Mann, und diesmal wurde das Wort von einem Hieb begleitet, der dem Jungen beinahe die Brust eindrückte. Er fiel um und spürte nur noch Schmerz und das Bedürfnis nach Luft.
Der Mann lockerte das Seil ein drittes Mal. Diesmal blieb der Junge da. Lektionen dieser Art merkte man sich rasch.
Sie marschierten nun zum weit entfernten Hauptlager. Der Junge ging voran, und der Blick des Mannes ruhte ständig auf ihm. Der Junge mied die kleiner werdenden Strahlungsflecken, und Mann und Tier folgten ihm. Am Abend hatten sie jene Stelle erreicht, an der sie einander am Vortrag zum erstenmal gesehen hatten.
Der Mann öffnete seinen Sack und holte Stücke eines Stoffs hervor, der gut roch. Er biß davon ab, kaute mit Behagen und reichte dem Jungen davon. Die Einladung bedurfte keiner Wiederholung, denn dies war Nahrung.
Nach dem Essen urinierte der Mann gegen einen Baum und bedeckte sich sodann wieder. Der Junge folgte seinem Beispiel, ja er ahmte sogar die aufrechte Haltung nach. Schon vor langer Zeit hatte er gelernt, seine Ausscheidungen bewußt zu steuern, denn achtlos abgelagerte Spuren konnten zur Entdeckung führen, aber noch nie war ihm der Gedanke gekommen, den Strahl mit der Hand zu lenken.
»Da«, sagte der Mann. Er drückte den Jungen sanft zu Boden und schob ihn, Füße voran, in einen engen Sack. Der Junge wehrte sich, als ihm ein Netz über den Kopf gelegt wurde.
»Bleib so über Nacht, oder -.« Und wieder landete die gewichtige Faust auf seiner Brust, sachter allerdings. Als zweite Warnung.
Nun kletterte der Mann in einiger Entfernung in einen zweiten Sack, und der Hund ließ sich unter dem Baum nieder.
Da lag nun der Junge, und es drängte ihn zur Flucht, doch er fürchtete die Gefahren der Nacht, besonders da die heiße Region so nahe war. Für gewöhnlich ging er während der Nacht auf Raub aus, denn er konnte im Dunkeln gut sehen, aber hier war es zu gefährlich. Einmal hatte ihn ein Insekt gestochen, und er war daran beinahe zugrunde gegangen. Zwar konnte man ihnen meist ausweichen, aber sie verkrochen sich unter das Laub und lauerten manchmal auf dem Boden. Unter dem Netz war er wenigstens sicher vor ihnen.
Wenn er nicht während der Nacht floh, würde er tagsüber keine Möglichkeit mehr haben. Das Seil war zu behende und geschickt, der Riese zu stark.
Er merkte, daß der Mann eingeschlafen war und faßte einen Entschluß. Leise setzte er sich auf und wollte sich aus dem Sack befreien.
Der Mann fuhr beim ersten Geräusch auf. »Nein!« rief er.
Es war gefährlich, gegen den Riesen anzutreten, der ihn womöglich wieder einholen würde. Der Junge legte sich resigniert nieder. Und schlief ein.
Am Morgen aßen sie wieder gemeinsam. Es war lange her, seitdem der Junge zwei so leicht errungene Mahlzeiten so rasch hintereinander genossen hatte. Das waren Bedingungen, an die man sich leicht gewöhnen konnte.
Dann hatte der Mann ihn an einen Wasserlauf geführt und sich selbst und ihn gewaschen. Er trug Salben aus seinem Gepäck auf die verschiedenen Schrammen und Wunden am Körper des Jungen auf und ersetzte die rohen Tierhäute durch ein viel zu großes Hemd und eine Hose. Nach diesem widerwärtigen Vorgang setzten sie den Marsch zum Menschenlager fort.
Die ungewohnten Kleidungsstücke rieben den Jungen. Noch einmal erwog er einen Fluchtversuch, ehe er in ein ihm völlig fremdes Gebiet gebracht wurde, doch eine gebrummte Warnung bewirkte, daß er seine Meinung änderte. Und Tatsache war, daß der Mann, abgesehen von seinen Absonderlichkeiten im Hinblick auf Kleidung und Urinieren, kein schlechter Herr war. Er strafte ihn nicht grundlos, und er bewies ihm sogar eine gewisse rauhe Freundlichkeit.
Gegen die Tagesmitte verlangsamte er den Schritt. Er schien müde oder schläfrig trotz seiner Riesenmuskeln und geriet ins Taumeln. Er blieb stehen, gab sein Frühstück von sich, und der Junge fragte sich dabei, ob es sich dabei abermals um irgendein in der Zivilisation übliches Ritual handle. Dann setzte der Riese sich nieder und machte ein verdrossenes Gesicht.
Der Junge beobachtete ihn eine ganze Weile. Als der Mann nicht aufstand, machte der Junge kehrt und ging den Weg zurück. Ungehindert fing er zu laufen an. Er war frei!
Er lief eine Meile und hielt an und entledigte sich der lästigen Menschenkleidung. Und er ahnte, was mit dem Riesen los war. Der
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