Titanen-Trilogie 02 - Die Kinder der Titanen
andere, von einer massiven Winde heruntergelassene Schranken. »Aussteigen!« kläffte der Posten von seinem Turm.
Die vier stiegen aus und nahmen vor dem Laster Aufstellung.
»Das ist das Mädchen!« rief der Posten. »Ch’ins Braut, die Ausländerin!«
Der Herr drehte sich um, und plötzlich war ein Bogen in seiner Hand. Der Pfeil lag im Anschlag. Schnellte ab, zischte durch die Luft, und der Turm-Posten brach zusammen, lautlos. Der Pfeil hatte sich durch seine Luftröhre gebohrt.
Jetzt hieß es, die Steine zu befördern. Var ging nach hinten, auf den stechenden Kontaktschmerz gefaßt, da fiel die große Hand des Herrn auf seinen Arm. Var taumelte rücklings. Und dann wurde er brüsk vorgeschoben.
Gleichzeitig hatte Sol seine Tochter gefaßt und hielt sie, an den Armen hochgehoben, vor sich. Sie und Var waren einander von Angesicht zu Angesicht gegenüber, ein jeder von hinten gehalten. Die Hand des Herrn umfaßte Vars Gelenk und schob den Armreif herunter. Sol nahm ihn und streifte ihn Soli über. Dann wurden Var und Soli losgelassen, und sie umarmten einander, schon um nicht umzufallen.
Als sie einander losließen und sich aufrichteten, sahen sie, daß Sol und der Namenlose bereits heiße Steine gepackt hatten. Die zwei Männer sprangen auf die Gitter zu und erklommen sie eilig, die tödlichen Steine in die Gürtelbänder gesteckt. Das war eine Kunst, die der Herr früher nicht beherrscht hatte. Als die anderen Wachen entdeckten, was da eigentlich vor sich ging, waren sie schon oben.
Der Herr schleuderte einen Stein gegen eine Wand. »Hört!« schrie er. Var hörte das fieberhafte Klappern der Irren-Klick-Kästchen. Dann Schreie, die von Entsetzen und Überraschung kündeten.
Der Herr fing nun an, das vordere Gitter hochzukurbeln. Var sah, daß die Gegengewichte sich senkten und daß der Weg frei wurde.
»Los!« rief der Herr von oben. Ohne Überlegung gehorchte Var. Er setzte sich ans Steuer, Soli neben ihn. Der Motor lief. Er war gar nicht erst abgestellt worden. Der Herr hatte alles bis ins Detail geplant.
Der Weg war frei, und er fuhr los. Das Dach des Führerhauses streifte die Stäbe. Dann waren sie frei.
Und als es den Nordhang bergab ging, da hörte es Var hinter sich krachen. Der Herr hatte ganz plötzlich das Gitter fallen lassen. Womöglich hatte er das Seil mit den Gegengewichten durchgeschnitten, so daß sich die Schranke ohne komplizierte Reparaturen nicht mehr heben ließ. Sie waren also sicher vor einer etwaigen Verfolgung durch Fahrzeuge.
In sicherer Entfernung von der Festung trat Var auf die Bremse. »Das ist nicht richtig«, sagte er. Er hatte nun sein Gleichgewicht wiedergefunden. »Ich sollte eigentlich dort hinten sein.«
»Nein«, sagte Soli. »Die beiden haben es so gewollt.«
»Aber Soli…«
»Var«, entgegnete sie.
Var starrte das Goldband an ihrem Arm an. Jetzt erst wurde ihm klar, was es bedeutete. »Ja, habe ich denn…?«
»Ja, du hast«, sagte sie.
Var verharrte lange Zeit im Schweigen. Schließlich aber sah er alles klar vor sich.
»Wir müssen zurück nach Amerika, müssen ihnen berichten, was wir wissen. Wir haben die übrige Welt gesehen und wissen nun, daß das, was wir zu Hause haben, das Beste ist. Wir dürfen es nicht zerstören durch das Imperium. Helicon muß wieder aufgebaut werden, die Nomadenstämme müssen sich wieder auflösen, die Feuerwaffen müssen abgeschafft werden. Wir werden nach Amerika gehen und es ihnen sagen.«
»Ja, mein Gatte«, sagte Soli. Sie bewunderte den neuen, machtvollen Ton in Vars Sprache.
»Denn Sos und Sol opferten sich für uns und waren am Ende wieder Freunde. Wir dürfen nicht zulassen, daß Amerika in mehrere einander bekämpfende Lager geteilt wird.«
Er legte den Arm um Soli, seine Frau, seine wilde Gefährtin. Und als vor ihnen die Schatten länger wurden, da saßen sie da und blickten nach Osten, dorthin, wo ihre lange Fahrt sie hinführen würde. Morgen begann die Heimreise.
ENDE
Weitere Kostenlose Bücher