Titanen-Trilogie 03 - Der Sturz der Titanen
mit kluger Berechnung.
Ein Meister im Stockkampf, soviel stand fest. Neq war erst zwei Stockkämpfern dieser Kraft und Geschicklichkeit begegnet. Der eine war Tyl - raffinierter vom Stil her, aber längst nicht so kraftvoll -, und der andere war Sol. . . dessen Aufenthalt Var kennen musste.
Aber mit dem Schwert konnten sich die Stöcke nicht messen, schon gar nicht mit Neqs Schwert. Seine Hand war unverwundbar. Obgleich nicht mehr jung an Jahren kannte er niemanden, der ihm im Kampf gewachsen war - außer Tyl. Var würde ihn sicher noch eine ganze Weile abwehren, mit der Zeit aber würde Var ermatten, sich übernehmen und Fehler machen. Denn die wahre Kraft eines Stock-Kämpfers lag in seiner Ausdauer und in der Technik. Aber eines hatte Neq ihm eindeutig voraus, und das war Erfahrung.
Neq wehrte die Hiebe ab und arbeitete auf eine Position hin,
die ihm einen Angriff erlaubte. Einfach war dies nicht, weil Var auf seinen Hufen hin und her tänzelte, und seinen zottigen Schädel duckte, ganz tief, sogar bis zum Boden, ohne ihn ungedeckt zu lassen.
»Du bist sehr geübt, Mann mit den Metallhänden«, murmelte Var. »Wie es einem Anführer unter dem Herrn zukommt.«
Neq war sofort ganz Ohr. Er durfte aber nicht zulassen, daß Var ihn mit Worten einlullte. »Auch du bist kämpfgeübt«, sagte er. »Ich hörte, der Waffenlose selbst hätte dich trainiert.«
»Der Herr ist tot«, sagte Var und verlangsamte sein Tempo.
Auch Neq ließ sich mehr Zeit, blieb aber unvermindert auf der Hut. Womöglich lauerte Vars Gefährtin in unmittelbarer Nähe, bereit, heimtückisch einzugreifen, während der Gegner durch Kampf und Worte doppelt abgelenkt war. Dieser Tier-Mensch hatte sicher eine Frau als Gefährtin, die ebenso tierähnlich war.
»Du kannst den Waffenlosen nicht besiegt haben«, meinte Neq.
»Nicht im Ring«, äußerte Var grimmig.
Neq erstarrte in seinen Bewegungen. In diesem Augenblick hätte der andere einen Treffer landen können, wäre ihm der schwache Moment nicht entgangen. Und dann ging es weiter mit Schlag und Gegenschlag. »Sol aller Waffen hat dich verfolgt. Den konntest du auch nicht bezwingen.«
»Nicht mit Stöcken!«
Diesmal erstarrte Neq mit Absicht und bot dem Gegner scheinbar eine Öffnung in der Verteidigung. Aber Var ließ die Chance ungenützt. Er war zu klug oder zu dumm dazu.
»Du gibst zu, daß du ihn aus dem Hinterhalt getötet hast?«
»Die Strahlung.«
Seine fleckige Haut! Jetzt fiel es Neq wieder ein. Man hatte gemunkelt, der Tier-Junge könne die Strahlung fühlen und den Todeszonen ausweichen, während er andere in die Falle tappen ließ. Also stimmte es, und Var hatte seinen Freund wie seinen Feind ins Unglück gelockt, indem er sie durch eine nicht markierte Zone größerer Strahlenkonzentration führte! Und jetzt war er mit diesem Weib gekommen in der Meinung, seine Untat sei nicht bekannt oder schon vergessen worden!
Neqs Informationsquellen existierten nicht mehr. Aber eines
musste er unbedingt noch erfahren. »Soli, das Kind aus Helicon?«
Nun lächelte Var. »Soli gibt es nicht mehr.«
Neq war sprachlos. Schließlich flüsterte er. »Strahlung?« Das hätte ironisch klingen sollen.
Var aber wich der Frage aus, als wäre Neq damit auf einen Quell längst vergessener Schuld gestoßen. »Unser Streit ist zu Ende. Ich will dir Vara zeigen.«
Da gab er sich eine Blöße, und Neqs Schwert nützte sie.
XIII
Tyl kehrte in der Dämmerung wieder - in Begleitung. »Neq! Neq! Sieh mal, was ich im Dorf gefunden habe!«
Neq sah vom Grabmal auf, das er eben aus Steinen aufstapelte. Als die zwei näher gekommen waren, sah er, daß der Fremde eine Frau war. »Ich bin so froh, daß ich euch gefunden habe!« rief sie aus.
Neq starrte sie verdutzt an. Das war ja eine Irren-Frau! Trotz der Kälte trug sie die für Irre typische Bekleidung, nämlich Bluse und Rock, und das lange Haar war nach Art der Irren gekämmt. Und hübsch war sie obendrein.
»Miss Smith«, murmelte er und wurde schmerzhaft an seine Liebe erinnert, obwohl in Wirklichkeit die Ähnlichkeit zwischen den zwei Frauen sehr gering war. Aber diese hier war ebenso adrett und sauber wie Miss Smith. Und sie war von zarter Schönheit und passte nicht in die Wildnis. Ja, das hatte sie mit Miss Smith gemeinsam: Intelligenz, Bildung, Unschuld. Ihm war, als dringe ihm ein Schwert durchs Herz.
»Dies ist eine von den beiden, die wir verfolgten«, erklärte Neq. »Sie war wie ich im Dorf auf Kundschaft, und als wir
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