TITANIC-WORLD
Laune mit meinem verkorksten Privatleben.“
„Unsinn. Mir geht’s gut.“ Sie lächelte ihre Assistentin an. „Ich habe nur so offen gesprochen, in der Hoffnung, dass es dir hilft, zukünftig schmerzfreier mit dem Thema Phil und 1.503 lost souls umzugehen.“
Für kurze Zeit herrschte Schweigen zwischen ihnen. Cecilia zündete sich noch eine Zigarette an, um zu verbergen, wie sehr sie ihre eigenen Worte aufgewühlt hatten. Es stimmte zwar alles, was sie Claire gesagt hatte – aber, wer ist schon wirklich in der Lage, seinen Gefühlen die Tür vor der Nase zuzuschlagen?
Claire fühlte sich nach den Worten ihrer Chefin besser. Phil hatte nach Junes Tod wahrlich alle Hilfe bekommen, um das Leben wieder lebenswert finden zu können. Sie dachte daran, wie ihre Freundschaft zerbrochen war, als sie die Stelle in der TITANIC-WORLD angenommen hatte, aber zum ersten Mal empfand sie kein Mitleid mehr mit ihm.
Phil gehört offensichtlich zu den armen Socken, die Cecilia gemeint hat, dachte Claire. Nun gut, wenn er glaubt, sein Leben gestaltet sich besser, wenn er sich einer Gruppe von Saboteuren mit kriminellen Absichten anschließen muss, dann ist dass sein Problem. Aber er sollte sich vorsehen. Mit Craig ist nicht gut Kirschen essen, wenn er wütend ist und ich glaube kaum, dass Phil bewusst ist, mit wem er sich angelegt hat.
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sich Martin und zwei seiner jungen Kollegen an ihren Tisch setzten. Alle drei machten lange Gesichter und Martin erzählte ihnen barsch, dass eine Neunzehnjährige in Panik ausgebrochen sei und die Vorstellung unterbrochen werden musste. Er hatte den Arzt rufen lassen, da das Mädchen unter einem Weinkrampf litt und sich nicht beruhigen konnte. Die anderen Besucher, so sagte er, schienen sich zuerst nicht sonderlich über den Vorfall aufgeregt zu haben, aber dann musste die Vorstellung doch insgesamt noch vier Mal abgebrochen werden. Einige Teilnehmer hätten es plötzlich so mit der Angst zu tun bekommen und den Sicherheitsknopf gedrückt.
Cecilia seufzte. Nicht schon wieder, dachte sie verzweifelt. Sie bedankte sich bei Martin und beschloss nach dem Mädchen zu sehen.
Es war kurz nach halb vier. Cecilia saß in ihrem Büro im E-Deck. Durch das geöffnete Bullauge konnte sie hören, wie die Besucher das Gebäude verließen. Heute schloss die TITANIC-WORLD bereits um vier Uhr, da die Gedenkfeiern zum 100. Jahrestag des Unglücks um neunzehn Uhr begannen. In jedem Restaurant würde eine kleineAndacht zur Erinnerung an die Opfer stattfinden, bevor den Gästen ein exquisites Dinner serviert werden würde.
The last Dinner on TITANIC war seit Bekanntmachung vor gut acht Monaten bis auf den letzten Platz ausgebucht. Im White Star Restaurant hatte ein Ticket 750 Pfund pro Person gekostet; Getränke exklusive, Abendkleid und Smoking Pflicht. Politische Größen, Schauspieler und Allerwelts-Millionäre – Claire hatte all jene so getauft, deren Namen in der breiten Öffentlichkeit wenig oder gar nicht bekannt waren – würden heute Abend die Gäste Henry Wellingtons sein. Southamptons Bürgermeister hatte es sich nicht nehmen lassen, den Gastgeber in der ersten Klasse zu mimen. Hoffentlich kann er ein paar dicke Fische an Land ziehen, die in der gediegenen Atmophäre des ehemaligen À là Carte Restaurants ihre Familien- oder Geschäftsevents feiern möchten, dachte sie lakonisch. Bislang haben wir hier nur wenige Reservierungen. Sie gähnte und sah auf die Uhr. Sie hatte noch Zeit, bevor sie sich umziehen musste. Cecilia betrachtete ihr Cocktailkleid, das an der Bürotüre hing; eine edle Kreation in Seewassergrün, mit dezent aufgestickten Blüten und einer kleinen Schleppe. Wieder einmal wunderte sie sich, dass Craig freiwillig in der dritten Klasse, als Gastgeber fungieren wollte. Sie selbst würde im Maiden Voyage die Gäste begrüßen.
Die Tür flog auf und Craig stürmte ins Zimmer. Ohne Begrüßung steuerte er sofort die kleine Bar an, mixte zwei Gin Tonic und ließ sich, während er ihr ein Glas reichte, auf die Schreibtischkante fallen.
„Ich habe gerade mit Martin gesprochen. Er sagte, dass das Programm einwandfrei funktioniert hat, bis diese blöde Kuh den Sicherheitsknopf gedrückt hat.“ Er trank einen großen Schluck und fuhr fort: „Das komische bei der Sache ist aber, dass sie dem alten Westwood genau die gleiche Story aufgetischt hat, wie diese schwedische Tussi.“
„Die schwedische Tussi war eine finnische Journalistin“,
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