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Titanus

Titanus

Titel: Titanus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhardt del'Antonio
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Ähnlich ist es bei einer Gemeinschaft. Wir sind miteinander verwachsen und voneinander abhängig. Unter uns ist keiner, den wir entbehren können. Aber ich glaube, wir haben nicht mit der nötigen Sorgfalt auf das gute Zusammenspiel geachtet. Wir übersahen die ersten Anzeichen einer Funktionsschwäche und haben nun etwas Ähnliches wie eine schmerzhafte Entzündung. Es wäre falsch, jetzt zur Schneidsonde zu greifen.
Genosse Jansen mußte sich viele Vorwürfe anhören. Diese Vorwürfe sind zweifellos berechtigt. Er wird sich bewähren müssen – aber ich bin der Meinung, entsprechend seinen Fähigkeiten auf seinem Posten! Genossen, wir sind eine sozialistische Gemeinschaft, deshalb kann dieser Vorfall nicht allein mit einer Verwarnung des Genossen Jansen für uns erledigt sein! Wir haben uns zuwenig um die einzelnen Genossen gekümmert. Das soll jetzt anders werden. Laßt uns aus diesem Vorfall lernen, laßt uns künftig näher zusammenrücken!«
    Jansen war beschämt. Es drängte ihn, sich Romain anzuvertrauen. Nach der Versammlung bat er ihn um eine Aussprache. Romain lud ihn zu sich in seine Wohnung ein.
    »Machen Sie sich’s bequem! Ich hole nur schnell etwas zu trinken«, sagte Romain, als die Tür hinter ihnen ins Schloß fiel. Jansen hatte Zeit, sich im Wohnraum umzusehen.
    Die Einrichtung war schlicht und übersichtlich. Sie verriet einen auserlesenen Geschmack, wenn es Jansen auch verblüffte, daß er an den Wänden Reproduktionen von Rembrandt, Rubens, Raffael und anderen alten Meistern sah und doch keinen Gegensatz zu den modernen Möbeln empfand.
    Romain trat unbemerkt ein und beobachtete Jansen. »Die alten Gemälde, was?« sagte er und setzte die Flaschen auf den Tisch. »Ja, ich habe neben dem elektronischen Klavier, das mit dem klassischen nur den Namen gemein hat, nebenan auch ein echtes mit Saiten stehen! Und dazu Noten – Werke von Bach, Brahms, Beethoven, Mozart, um nur einige Klassiker zu nennen, die Ihnen als Deutschen besonders geläufig sein dürften. Und meine Bibliothek umfaßt auch Werke von Goethe, Schiller, ja sogar Kant und Schopenhauer finden Sie darin.«
»Fehlen bloß noch die alten Griechen«, sagte Jansen und schüttelte den Kopf.
»Wieso spotten Sie über die Klassiker des Altertums?«
»Entschuldigen Sie, Doktor, das wollte ich nicht. Aber Sie und Klassiker?«
Romain setzte sich zu ihm, streckte behaglich die Beine aus und sagte gutmütig: »Ich fürchte, Sie sehen es einseitig! Ich beschäftige mich mit der Vergangenheit.«
»Und doch haben Sie Gesellschaftswissenschaft studiert, sind politischer Stellvertreter des Leiters einer Expedition, die dreihundert irdische Jahre überspringt, und leben mehr im Morgen als im Heute!«
Romain lächelte. »Wurzelt nicht die Gegenwart in der Vergangenheit wie die Zukunft in der Gegenwart? Muß man nicht die Vergangenheit kennen, wenn man die Gegenwart verstehen und die Zukunft vorausbestimmen will? Lernten Sie nicht auch zuerst das Einmaleins, erst die physikalischen und chemischen Grundgesetze, ehe Sie den gegenwärtigen Entwicklungsstand der Wissenschaften ermessen und als Techniker neue Erkenntnisse erringen konnten? Sich mit der Vergangenheit befassen, sie ergründen, ihre Entwicklungsgesetze verstehen lernen, das bedeutet doch nicht Rückkehr zur Vergangenheit.«
Er hob sein Glas und trank Jansen zu.
»Ohne die Erfahrungen unserer Vorfahren könnten wir jetzt kein Bier trinken, das alkoholfrei ist und sich geschmacklich doch nicht vom Bier unterscheidet.«
»Und ohne ihre Erkenntnisse glaubten wir heute noch an Wunder, fürchteten noch heute Unwetter als Gottesgerichte und Kriege als Naturgesetz«, stimmte Jansen zu.
»Man muß also den Dingen auf den Grund gehen, sie im Zusammenhang sehen. Deshalb darf man nicht nur sagen, Jansen ist ein Außenseiter, der gegen die Regeln der Gemeinschaft verstößt, man muß diese Erscheinung zurückverfolgen bis zur Ursache. Jede Erscheinung hat schließlich eine Ursache!«
Jansen schwieg, betroffen über die unerwartete Wendung; er hatte doch wahrhaftig für Minuten den Anlaß des Gespräches vergessen.
Ehe er sich aufzuraffen vermochte, fuhr Romain fort: »Und wenn man nach der Ursache sucht, dann entdeckt man, daß es mit einer gewissen Gleichgültigkeit begann, die sich zur Lebensverachtung steigerte. Jansen vergrub sich in die Arbeit, um zu verhindern, daß ihn unerwünschte Gedanken bedrängten. Flucht vor schmerzhaften Gedanken und Lebensverachtung aber sind typische Zeichen

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