Titanus
tiefe Nichts. Die Angst verlor sich.
»Allmächtiger Herr der Welten!« begann Jansen in sachlichem Ton, und die Männer brauchten einen Augenblick, ehe sie begriffen, daß er ein Gebet übersetzte. »Unermeßlich ist deine Güte, unfaßbar deine Größe, unbeugsam dein göttlicher Wille! Herr, du sandtest uns Söhne einer fernen Welt – wir danken dir für dieses Zeichen deiner allmächtigen Gnade! Du gabst ihnen die Kräfte, Planeten aus ihrer Bahn zu verdrängen. Das ist der Beweis deiner Gunst!«
Inoti horchte auf. Gott, Tempel – gab es hier noch eine Klassengesellschaft? Übersetzte Jansen richtig?
»Allverzehrend wird das Feuer sein, das unsere Feinde trifft. Mann, Weib und Kind wird unsere Rache vernichten, die deine Rache ist an den Frevlern wider unsere angestammten, göttlichen Rechte. Segne diese deine ausgesandten Söhne einer fremden Welt, segne ihren Kampf für uns in deinem Namen! Segne ihre planetenverzehrende Kraft, daß sie den Lebenskeim im Mutterleib treffe und das frevlerische Leben auf unserem Heimatplaneten verzehre!«
Zutiefst betroffen saßen die Genossen, erstarrt, ungläubig, fassungslos. Doch nicht lange – dann wechselten sie schnelle Blicke des Verstehens und ballten die Fäuste.
Inotis Gesicht war beherrscht. Nur die Augen waren schmal und der Mund zusammengepreßt. Für ihn gab es nun keinen Zweifel mehr! Dieses Gebet war das Haßgeschrei einer Ausbeuterklasse! Er mußte schnellstens mit Jansen sprechen…
Der unheilvolle Ton stieg erneut aus der Tiefe, schwang sich wieder hinauf in schwindelnde Höhen, um ins Unhörbare zu entfliehen.
Lazzarris Zorn wich wieder dem Grauen. Zitternd saß er auf der schwebenden Platte. Doch als die Musik verklungen war, sprang er auf.
»Bestie!« keuchte er. »Das will ein Priester sein!«
»Andere Planeten, andere Sitten«, sagte Wang Yun-chieh, doch auch ihm sprühte der Zorn aus den Augen.
Timár schüttelte den Kopf. »So anders sind die Sitten nicht! Irdische Priester bedienten sich der Scheiterhaufen, segneten an beiden Fronten im Namen desselben Gottes die Kanonen und beteten für den Sieg im Völkermord! Irdische Bischöfe empfahlen Atombomben als gottgefällige Mittel, schneller in den Himmel zu kommen!«
»Es gab auch andere Priester«, sagte Inoti.
»Es wird auch hier andere geben!« Wang Yun-chieh nickte.
Lazzarri war derart empört, daß er keiner sachlichen Erwägung mehr fähig war.
»Ein lieblicher Stern, das kann man sagen!« rief er voll Zorn.
Inoti blieb an seiner Seite. »Nehmen Sie sich zusammen, Genosse Lazzarri! Wir sind hier Gäste und haben kein Recht, uns einzumischen.«
Jansen sammelte seine Gruppe im Gang zwischen den schwebenden Platten. Die Sonne des Tempels war verblichen, wieder füllte helle Dämmerung den Saal.
Der Titan überreichte den Männern mit tiefer Verbeugung je eine Kapuze. Jansen nahm seine Kapuze vom Kopf und sah jeden einzelnen an.
»Genossen, die Lage ist ernst! Wir müssen schnellstens Verbindung mit der Kosmos aufnehmen. Es scheint, wir geraten zwischen zwei Feuer.«
»Ich werde Nasarow sofort einen Funkbericht durchgeben!« sagte Lazzarri und griff zum Funkgerät. Es war nicht größer als eine Aktentasche, hatte jedoch eine große Sendeenergie. Lazzarri zog die versenkbare Antenne heraus. Doch als er sich die Kopfhörer überstülpen wollte, legte ihm Inoti die Hand auf den Arm.
»Warten Sie!« Er wandte sich an Jansen. »Romain und Canterville sind unterwegs zu uns. Ich schlage vor, wir warten mit dem Bericht.«
»Der Titan hat uns zur Besichtigung der Stadt eingeladen, wir können schlecht absagen. Es wäre auch unklug, eine solche Annäherungsmöglichkeit abzubrechen – sie neu anzubahnen würde schwierig sein. Aber wie halten wir den Titanen auf? Ich werde ihm das Funkgerät erklären! Ihr steht inzwischen als stumme Hörer dabei und könnt euch in Ruhe an die Kapuze gewöhnen. Seid vorsichtig, Genossen! Der Titan versteht alles, was ihr sprecht!«
»Dann laß ich die Finger davon«, sagte Lazzarri und hielt Jansen seine Kapuze hin.
»Unsinn – du wirst dich etwas beherrschen lernen, alter Freund! Du mußt sie tragen, damit er nicht das Gefühl hat, wir verbergen etwas. Keine Angst, daß ihr irgendwie euren Willen verliert!«
»Legen Sie ein Taschentuch unter, damit die. Stirnhaut nicht die Metallfolie berührt«, riet Inoti.
Lazzarri sah unschlüssig auf die steife Kapuze und nahm zögernd sein Taschentuch heraus.
»Nimm meins noch dazu! In der Hitze kommst du leicht ins Schwitzen, dann
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