Titanus
der das Tal nach außen abschirmte. Wie nötig diese Maßnahme war, das zeigte bald ein neuer Strom von Fahrzeugen. Ihre tropfenförmige Gestalt verriet, daß sie der Personenbeförderung dienten. Sie brachten Neugierige. Doch das titanische Militär verwehrte ihnen den Zutritt zum Talkessel.
Nasarow hob die Startbereitschaft wieder auf. Während er noch erwog, ob ihm die Lage endlich den Flug zum Planeten gestattete, rief ihn der diensthabende Ingenieur an.
Auf dem Bildschirm des wartenden Panzers erschienen die wohlvertrauten Gestalten von Romains Männern.
»Schnell die Fernsehkamera aufblenden!« rief Nasarow. Er wollte wenigstens bildlich dabeisein, wenn Romains und Cantervilles Gruppen sich begrüßten.
Die Männer umarmten sich. Nasarow sah, daß auch Cantervilles Gruppe sich um die Genossen gesorgt hatte.
Romain trat an den Panzer und nickte Nasarows Kopf zu.
»Alles in Ordnung! Willst du nicht zu uns herunterkommen?«
Im Besprechungssaal der Menschensiedlung saßen die Kommandeure der auf dem Titanus gelandeten Gruppen.
Gespannt folgten sie dem Bericht, den Jansen und Romain über die erste Begegnung mit den Titanen gaben. Ihre Mienen spiegelten wider, was die Männer der beiden ersten Gruppen empfunden hatten: Staunen, Mißbilligung, Unbehagen, Freude.
»Nach dem offiziellen Empfang mußten wir noch ein Fest über uns ergehen lassen…« Romain zögerte.
»Du sagst das so seltsam?« fragte Nasarow.
»Ich weiß nicht, ob ich den Titanen Unrecht zufüge – nach unseren Begriffen sind die Titaninnen ungewöhnlich schön –, aber das, was wir beobachteten, war mehr, als sich allein mit Lebensfreude begründen läßt. Es hat uns Mühe gekostet, den für uns gewohnten Rahmen zu wahren. Ich nehme an, daß die Art und Weise, wie sich die Titanen untereinander verständigen, von großem Einfluß auf die Beziehungen zwischen den Geschlechtern ist. Die Titanen lesen nämlich die Gedanken voneinander ab; sie bedürfen nicht mehr des gesprochenen Wortes, um sich zu unterhalten. Wenn wir also für sie Verständnis finden wollen, müßten wir uns, glaube ich, einmal ernsthaft in die Veränderungen hineindenken, die sich dadurch ergeben, daß Gedanken, Empfindungen, Wünsche und Hoffnungen voreinander nicht verborgen bleiben. Bei uns Menschen liegt es anders. Die Titanen verstehen uns nur, wenn wir die Gedanken aussprechen; ebensowenig haben wir Zugang zu ihren Gedanken.
Ich habe gemeinsam mit den Genossen meiner Gruppe einige Punkte festgelegt, über die wir vordringlich beraten sollten.
Erstens: Wir glauben, daß die Titanen eine Ausbeuterklasse sind. Wir vermuten ferner, daß sie von einer andern Ausbeuterklasse vertrieben worden sind. Ihr Gebet ist, gelinde gesagt, blutrünstig! Handelt es sich hier um zwar berechtigte, aber überspitzte Rachegefühle – oder um sinnlose Grausamkeit?
Zweitens: Die Titanen äußerten den dringenden Wunsch, die Kosmos zu besichtigen, da ihre eigenen Raumschiffe vernichtet wurden. Wir müßten sie mit unsern Transportraketen hinaufbringen, weil sie auch keine Flugzeuge mehr haben. Der Planet wird von den Feinden der Titanen sehr oft kontrolliert, ihnen selbst aber wurde jeglicher Luftverkehr untersagt. Erfüllen wir den Wunsch der Titanen? Beschränken oder stellen wir unseren Flugverkehr ganz ein?
Drittens: Die Titanen interessieren sich brennend für die Kraft, mit der wir den Planeten aus seiner Bahn drängen wollten. Wie verhalten wir uns?
Viertens: Die Titanen bieten uns an, daß wir mit ihnen gemeinsam den Planeten erforschen. Nehmen wir an?
Fünftens: Wahrscheinlich erwarten die Titanen von uns, daß wir in ihre Auseinandersetzung eingreifen, daß wir ihnen helfen. Wie verhalten wir uns, wenn sie mit diesem Ansinnen an uns herantreten?
Sechstem: Ist es angebracht, unter den gegebenen Umständen auf dem Planeten zu bleiben? Wenn wir bleiben, wie sichern wir uns davor, in eine interplanetare Auseinandersetzung hineingezogen zu werden?«
Als Romain schwieg, blieb es längere Zeit still.
Jansen meldete sich als erster. »Genossen, obwohl ich annehme, daß der Haß der Titanen begründet ist, möchte ich dringend zu äußerster Zurückhaltung raten.«
»Was heißt begründeter Haß?« fragte Timár. »Ob berechtigt, das ist doch die Frage! Gerechter Haß vermeidet, daß Unschuldige getroffen werden, die Titanen aber wollen den Lebenskeim im Mutterleib vernichten!«
»Trotzdem können wir nicht entscheiden, ob berechtigt oder nicht, dazu müssen wir mehr von
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