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Durchreise machte er eifrig einer Signora Lepri den Hof, einer Verwandten jener Anna Maria, deren ungerechte Bedrückung wir erzählt. Da er sich keineswegs versteckte, so waren seine Liebschaften aller Welt bekannt, und dies verschaffte ihm die Ehre, in satirischen Versen besungen zu werden, deren Verfasser, ein Zeitungsschreiber in Florenz, mit langer Gefängnisstrafe belegt ward. Seit dem berüchtigten Pasquillanten, welcher von Sixtus dem Fünften zu den Galeeren verurteilt ward, hatte man kein Beispiel von solcher Strenge gesehen.
Da ich hier auf einen in Rom sehr bekannten Vorfall, den man anderwärts nur wenig kennt, anspiele, so ist es vielleicht nicht unangemessen, wenn ich hier, um mein Sittengemälde zu vervollständigen, eine Parenthese öffne und die Sache erzähle. Unter dem Pontifikat Sixtus des Fünften hatte ein Dichter Namens Marere einige satirische Verse geschrieben, in welchen er die Gattin eines hohen Beamten beleidigt, der sich deswegen bei dem Papst beschwerte. Dieser, ein strenger, aber gerechter Richter, ließ den Dichter rufen und befragte ihn über die Beweggründe, die er gehabt, sich so etwas zu erlauben. Nach mehreren Erklärungen, welche den Papst nicht zufriedenstellten, obschon sie diesen zuweilen bewogen, zu lächeln, fragte er, wie er eine Frau, deren Name beinahe ein Symbol der Tugend sei, öffentlich mit ihrem Namen als eine Kurtisane habe bezeichnen können.
»Hattet Ihr vielleicht Grund, Euch über sie zu beklagen?« fragte Sixtus der Fünfte. – »Nein,« antwortete der Poet, »durchaus nicht.« –»Aber warum habt Ihr sie dann verleumdet und beleidigt?« – »Ich brauchte einen Reim und ihr Name lieferte mir denselben.« – Sixtus der Fünfte biß sich auf die Lippe. »Und Ihr, Herr Poet, wie heißt Ihr?« fragte er dann. »Marere, Euer Heiligkeit zu dienen,« antwortete der Poet.»Wohlan, die Reihe des Versmachens ist nun an mir, und da Euer Name mir ebenfalls einen Reim liefert, so werde ich auch versuchen zu reimen:
»Ihr verdienet, Signor Marere,
Zu rudern auf einer Galeere!«
Das auf diese Weise von dem Papst gesprochene Urteil ward auch wirklich in Vollzug gesetzt und auf alle Bitten, welche man zugunsten des Schuldigen bei Sixtus anbrachte, antwortete er: »Einen guten passenden Reim findet man selten; ist dies aber der Fall, so muß ein solches Ereignis auch konstatiert werden und Epoche machen.« Und Signor Marere mußte demgemäß auf den Galeeren von Civita Vecchia rudern, wo er starb und zwei Bände unveröffentlichte Gedichte hinterließ, die für die Nachwelt verloren gingen, da kein Verleger den Mut hatte, sie herauszugeben.
Am Abend unserer Abreise hatten wir, als wir das Theater verließen, da es noch ziemlich zeitig war, unsern Abschiedsbesuch bei jenem liebenswürdigen Kardinal von Bernis gemacht, welchem Voltaire den Namen »Babette das Blumenmädchen« gegeben. Wir trafen bei ihm den Grafen von Bristol, Bischof von Derry, welcher sich in derselben Absicht hier befand. »Sie verlassen also Rom auch, Mylord?« fragte ich diesen seltsamen Prälaten, dessen Originalität mich für ihn interessierte. – »Jawohl meine schöne Landsmännin, die Gnade hat mich erleuchtet.« – »Wann werden Sie abreisen?« – »Morgen.« –«Und wohin, wenn man fragen darf?« – »Das sollen Sie morgen erfahren,« – Am nächstfolgenden Tage erschien er bei uns, nachdem wir gefrühstückt, und verlangte eine Unterredung mit Sir William. Sir William ging mit ihm in ein Kabinett. Fünf Minuten später kam er wieder heraus und führte den Bischof an der Hand. »Liebe Emma,« sagte er, »Mylord behauptet, er habe sich plötzlich so sehr in dich verliebt, daß er sich von deiner teuren Person nicht trennen könne, ohne vor Sehnsucht zu sterben. Demzufolge bittet er uns um Erlaubnis, uns nach Neapel zu begleiten. Da du wahrscheinlich nicht gesonnen bist, den Tod eines unserer vornehmsten Pairs und eines der höchsten Würdenträger unserer Kirche zu verschulden, so habe ich für meine Person seine Bitte bewilligt, und er erwartet nur noch deine Zustimmung, um der stolzeste aller Menschen und der glücklichste aller Bischöfe zu sein.« Da die zweiundsiebzig Jahre des Lord-Bischofs mir keine große Furcht einflößten, so glaubteich nicht, mich wegen einer so unschuldigen Bitte mit Sir William Hamilton in Widerspruch setzen zu müssen. Ich reichte dem Lord die Hand, welche er mit dem Ausdrucke der lebhaftesten Freude küßte, und wir kamen überein, daß er von diesem
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